Full text: Die Kunst der Römer (1,2)

  
  
  
  
  
  
  
hat mit Recht gesagt: Am Bildnis Alexanders des Großen wird niemand vorüber- 
gehen, ohne das Flügelrauschen des Genius zu verspüren. Bei Caesars Bildnis muß 
man wissen, daß er es war, sonst würde man nicht aufmerksam werden auf diesen 
Kopf, der mehr vom Nachdenken und Grübeln kündet als vom schnellen Handeln. 
So war also Caesar: ganz Gedanke, ganz Mensch. Die Tat entsprang aus der tiefen 
Einsamkeit dieses Hauptes, dessen Züge zugleich mildes Verstehen und harte Ent- 
schlossenheit. und das heißt Einsicht in das Mögliche verraten. Alt ist dieser Caesar, 
durchgearbeitet die eckige Stirn, ausgeglüht die dunklen Augenhöhlen und schwer 
die Tränensäcke über den starken Backenknochen. Eingefallen die Wangen um den 
lippenlosen Mund, fliehend das breite Kinn. In dieser Form also verbarg sich Caesar. 
Dieser alte Mann war der Übermensch Caesar, dessen Name zum Inbegriff des 
Herrschers wurde. Man ist versucht zu sagen: Ecce homo! Die plastische Form: 
bewegung ist ganz nach innen gesunken. Alles ist zurückgeführt auf den Bau des 
schweren Schädels, auf wenige markante Züge. Und doch ist das Porträt keine 
Maske in dem Sinne, wie es die unter hellenistischem Einfluß idealisierenden Köpfe 
der ersten Jahrhunderthälfte waren. Es ist eine genaue und eindringliche Wieder- 
gabe eines einmaligen Menschengesichtes; und nur deshalb, weil es gar nichts vom 
Leben im kosmischen Bezug erkennen läßt, weil es sich so sehr an das sterbliche 
Wesen hält, bekommt dieses naturalistische Porträt etwas von dem Maskenhaften 
jeder ‚irdischen Hülle‘. 
Diesen Gegensatz von Lebendigem und bloß Körperhaftem vermochte die 
römische Kunst des ersten Jahrhunderts v. Chr. nicht aufzuheben, selbst nicht bei 
der Darstellung Caesars. Erst als Augustus den ,.divus Julius" verehren lief, erst als 
Caesar zum politischen Mythos wurde, entstand ein Caesar-Porträt, das nicht blof 
Abbild war, sondern das Vorbild sein konnte. In dem Caesarkopft des Museo Chiaraz 
monti im Vatikan (Abb. 50) aus der Zeit um 20 v. Chr. liegt diese augustische 
Schöpfung vor. Jetzt ist der schön geschwungene und doch ganz beherrschte Mund 
und das vorgebaute feste Kinn ein tragender Unterbau für die schwere machtvolle 
Stirn. Jetzt ist Tat und Wille dem Gedanken vereint. Und jetzt sucht nicht mehr 
das Auge mit durchdringendem Blick den Gegenstand seines Planens, jetzt ruht 
vielmehr das freie große Auge wachend und sinnend auf der Welt. Die plastische 
Form ist nun überall wohlgebildet. Im Schwung der Brauen und der tiefen Furchen, 
in der Zeichnung der Lippen wie in der Bildung der Haare ist eine harmonische Be 
wegung und eine Gefälligkeit der Linienführung, die man bisher nicht kannte. Eine 
stärkere Linearität der Formen und eine gewisse Verallgemeinerung der Züge erhebt 
diesen Caesarkopf ins Uberpersonliche. Ein neuer Klassizismus ist am Werk, und 
zwar arbeitet er nicht mit den abgebrauchten Mitteln eines spathellenistischen 
Pathos, sondern stützt sich auf die Elemente der italischen Struktur. Der Klassizisz 
mus der AugustuszZeit beruht auf bodenstándigen Voraussetzungen. In ihm kommt 
die römische Kunst zu sich selbst. 
Das wird vielleicht erst deutlich, wenn wir einen Kopf in den Kreis unserer Be: 
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