Full text: Die Kunst der Römer (1,2)

  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
61. Fortuna-Heiligtum in Praeneste (Palestrina) 
am Werk, der ausgeht auf systematische Beherrschung, ja Vergewaltigung des 
einzelnen Menschen mit den Mitteln der Religion und Architektur, wie es wohl 
zum ersten Male in ägyptischen Tempelanlagen durchgeführt und wie es noch in 
dem zentralen Heiligtum der römisch-katholischen Kirche, in Sankt Peter, mit den 
ausgreifenden Kolonnaden des Bernini versucht worden ist. 
Daneben war es aber auch die Arbeit an den Problemen und an der Durch: 
führung jener Aufgaben, welche durch Mörteltechnik und Bogenkonstruktion ge- 
stellt waren. Bevor die freistehenden Theater und Amphitheater konstruiert und 
aufgeführt werden konnten, mußten Versuche an einer Bergwand vorausgehen. 
Das im Jahre 78 v. Chr. erbaute Tabularium am Ostabhang des Kapitols darf als 
bestes Beispiel dafür gelten. Auf schwerem Sockel erhebt sich das erste Unter: 
geschoß, über dessen ursprüngliches Aussehen wir noch heute sichere Aussagen 
machen können. Es war geöffnet durch eine dorisch-tuskische Säulenreihe; aber 
die Säulen sind nur vor eine Bogenreihe vorgeblendet. Römische Konstruktion und 
griechische Dekoration sind hier vereinigt. Damit kommt zum ersten Male jene 
römische Art der Fassadengliederung durch Bogen und Halbsäulen auf, welche 
dann besonders im Theaterbau so fruchtbar wurde, wie wir bereits gesehen haben. 
Es war jedoch nicht bloß die Freude an technischen Versuchen, welche die 
Abhangbebauung gefördert hat. Es war sicher im tiefsten Grunde ein neues Ver: 
hältnis zum Raum, und zwar nicht allein zu einem planmäßig angelegten, künst- 
lerischen Raume der architektonischen Platzgestaltung, sondern zu dem Raum der 
freien Natur. Von den Terrassen des Fortuna-Heiligtums in Praeneste und aus den 
Bogenöffnungen des Tabulariums in Rom hatte man einen weiten herrlichen Blick 
über Stadt und Land. Das war sicher nicht die geringste Absicht beim Bau dieser 
Werke. Denn in eben diesen Jahren entsteht überall an den schönsten Plätzen im 
Lande die Villa suburbana, welche dem alten Gutshof, der Villa rustica, nachdem 
sie in den Besitz eines Stádters gekommen war, einen neuen Zweck zuweist: roe 
mantischer Landsitz des neuen Eigentümers zu sein. Die Villa suburbana entsteht 
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