Full text: Die organischen Nahrungstoffe und ihr Verhalten im Zellstoffwechsel (1. Teil)

  
  
  
  
  
  
114 VI. Vorlesung. 
Spaltung unter Wasseraufnahme Glukose liefert. Dieses Kohlehydrat ist, 
wie schon früher erwähnt, in der Leber entdeckt worden.!) Bald wurde 
man darauf aufmerksam, daß die Leberzellen nicht immer gleich viel 
Glykogen enthalten, sondern daß ihr Gehalt an diesem Polysaccharid von 
der Nahrungsaufnahme und insbesondere von der Zufuhr von Kohle- 
hydraten abhängig ist. 
Man machte sich nun folgendes Bild über das Verhalten des resor- 
bierten Traubenzuckers im tierischen Organismus. Die Glukose wird den 
Leberzellen zugeführt. Diese belassen dem Blut eine bestimmte Menge 
davon. Das Zuviel wird von ihnen aufgenommen und sofort zu dem Poly- 
saccharid Glykogen aufgebaut. Ein Molekül Glukose wird an das andere 
angelagert. Jedesmal wird ein Molekül Wasser frei. Wahrscheinlich geht 
die Synthese über die Maltose. Man nimmt allgemein an, daß Fermente 
an dieser Synthese beteiligt sind. Das Glykogen ist ein Kolloid. Es lagert 
in den Leberzellen, ohne direkte Beziehungen zu den Bausteinen der Zelle 
zu haben. Es ist als ein Reservestoff aufzufassen, der dem Stoffwechsel 
so lange entzogen bleibt, bis Bedarf an Glukose auftritt. Das Glykogen 
wird dann nicht als solches von der Leberzelle abgegeben, sondern es er- 
folgt zunächst ein Abbau, und zwar tritt eine Fermentgruppe in Wirksam- 
keit, die vollständig entsprechend arbeitet, wie die Diastase der Säfte des 
Darmkanals. Es entstehen Dextrine. Auch Maltose tritt auf. Diese wird durch 
die Maltase in zwei Moleküle Traubenzucker zerlegt. Die Glukose geht ins 
Blut über und wird jener Stelle zugeführt, an der sie gebraucht wird, 
bzw. sie ersetzt einen Mindergehalt des Blutes an Glukose, weil Organ- 
zellen bereits dem Blute Traubenzucker entzogen und so den Gehalt des 
Blutes an diesem Kohlehydrat herabgedrückt haben. Das Glykogen spielt 
im. tierischen Organismus eine ganz entsprechende Rolle wie in der 
Pflanzenwelt die Stärke. ; 
Diese Anschauungen sind durch die folgenden Beobachtungen sicher- 
gestellt worden. Wir wollen annehmen, daß wir zehn Kaninchen, die dem 
gleichen Wurf entstammen und ganz gleichmäßig ernährt worden sind, 
zehn Tage ohne jede Nahrungszufuhr lassen. Nun töten wir fünf von diesen 
Tieren, entnehmen sofort jedem die Leber und stellen fest, wieviel Gly- 
kogen sie enthält. Dem Reste der Versuchstiere geben wir Stärke oder 
Rohrzucker oder Traubenzucker zu fressen. Am besten verfüttern wir den 
einen Tieren das eine Kohlehydrat und den anderen ein anderes. Etwa 
sechs bis acht Stunden nach der Fütterung töten wir auch diese Tiere und 
stellen sofort den Glykogengehalt der Leber fest. 
Bei den Hungertieren finden wir entweder nur Spuren von Glykogen 
oder eine ganz geringe Menge, während alle jene Tiere, die kurz vor der 
Tötung Kohlehydrate erhalten hatten, viel von diesem Polysaccharid in der 
Leber aufweisen. Diese Versuchsanordnung können wir dazu benutzen, um 
festzustellen, ob eine bestimmte verfütterte Substanz Glykogenbildner 
ist, d. h. ob nach ihrer Aufnahme in den Organismus in der Leber 
Glykogen entstanden ist.?) : 
1) Vgl. hierzu S. 62 ff. 
?) Vgl. die Literatur über derartige Beobachtungen bei E. W. Pflüger: Das Gly- 
kogen und seine Beziehungen zur Zuckerkrankheit. 2. Aufl. Martin Hager. Bonn. 1905; 
Max Cremer: Ergeb. d. Physiol. 1. 803 (1902). 
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