Eiweifstoffe und ihre Bausteine. 419
erst die Chemie der Proteine weiter fortgeschritten sein, dann wird man
wahrscheinlich nieht mehr so sehr, wie bisher, auf tastende Versuche im
Aufsuchen der geeigneten Art der Ernührung der Mikroorganismen an-
gewiesen sein. Man wird durch das Studium des Abbaues bestimmter
Abkommlinge des Eiweiles feststellen, welche Abbaustufen gebildet werden.)
Die Eigenart des Abbaus bestimmter Verbindungen ist ohne Zweifel fiir
manche Mikroorganismen ebenso charakteristisch, wie ihr morphologisches
Verhalten und ihre übrigen biologischen Eigenschaften. Unter natürlichen
Verhültnissen finden wir wohl nur selten Reinkulturen von Bakterien.
Meistens treten Kolonien verschiedenartiger Vertreter dieser kleinsten Lebe-
wesen auf. Sie bereiten oft zusammen den Nährboden für weitere Bakterien-
arten vor. Die Gewebe des Pflanzen- und Tierorganismus bilden háufig diesen
Nährboden. Gewif vermag sieh mancher Bazillus nur deshalb anzusiedeln,
weil schon ein anderer, wenig beachteter den Boden vorbereitet hat. Um-
gekehrt wird manches Lebewesen zugrunde gehen, weil es die vorhandenen
Stoffe nicht angreifen kann. Auch die einzelne Zelle muß imstande sein, die
ihr gebotenen “organischen Verbindungen in geeigneter Weise zu zerlegen,
sei es nun, daß sie Baumaterial zum Ausbau des eigenen Zelleibes oder zum
Aufbau einer neuen Zelle braucht, sei es, daß sie Energie zur Verfügung
haben muß. Überall begegnen wir den gleichen Grundzügen im Stoffwechsel.
Nirgends beobachten wir eine direkte Verbrennung von Substraten mittels
des Sauerstoffs. Stets kehrt der stufenweise Abbau der einzelnen organi-
schen Stoffe wieder. Überall finden sich Fermente, die in mehr oder
weniger spezifischer Weise auf bestimmte Produkte eingestellt sind. Wird
man die Bedingungen, unter denen ein bestimmtes Lebewesen den Abbau
von Gewebe vollziehen kann, besser kennen, dann wird es auch möglich
sein, bei bestimmten Infektionen diese so zu ändern, daß ein für das be-
treffende Lebewesen ungeeigneter Nährboden entsteht und damit seine
Daseinsbedingungen vernichtet sind.
Von besonderem Interesse sind jene Bakterienarten, die
aus Nitraten freien Stickstoff bilden. Sie sind außerordentlich ver-
‘breitet und bevölkern den Ackerboden in großer Zahl. Ihre Entdeckung
verdanken wir Davy.?) Daß die Stiekstoffbildung aus Nitraten erfolgt, ist
jedoch erst von og und Dupetit?) bewiesen worden. Die Abspaltung
des Stiekstoffs erfolgt wahrscheinlich in mehreren Teilvorgüngen. Es entsteht
salpetrige Säure, und diese wird dann zu Stickstoff reduziert. Es sind eine
ganze Reihe von Mikroorganismen bekannt, die Nitrate in Nitrite ver-
wandeln können. Hierher gehören z. B. das den Darm bevólkernde Baete-
rium eoli commune und der Bacil lus pyocyaneus. Die Abspaltung des Stick-
stoffs erfolgt durch das Bacterium denitrificans. Der genauere Vorgang
der Denitrifikation ist noch unbekannt. Bei dem Vorgang der Nitritbildung
aus Nitraten und ferner der Stickstoffabspaltung aus den Nitriten wird
Energie frei und ferner auch Sauerstoff, die beide von jenen Mikro-
?) Vgl. z. B. Emil Abderhalden, L. Pincussohn und Adolf Walter: Zeitschr. für
physiol. Chemie. 68. 471 (1910). — Wolfgang Weichardt: Zentralblatt f. d. gesamte
Physiol. u. Pathol. d. Stoffwechsels. 5. 131 (1910). — Vgl. ferner die Lehrbiicher und
Sammelwerke über Mikroorganismen, z. B. Walther Kruse: Allgemeine Mikrobiologie
F. C. W. Vogel. Leipzig 1910.
?) H. Davy: Elemente der Agrikultar-Chemie. 408 (1814).
3) Gayon und Pupetit: Compt. rend. de l'Acad. des Scienc. 95. 644 (1882)
97 *