Full text: Die organischen Nahrungstoffe und ihr Verhalten im Zellstoffwechsel (1. Teil)

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Kiweißstoffe und ihre Bausteine. 433 
mittelbar an. Im Pflanzenreich vertreten in gewissem Sinne die Zellulose- 
arten und Pentosane die Gruppe der mechanische Funktionen erfüllenden 
Eiweißarten. 
Die Erkenntnis, daß die Pflanzen- und Tierzellen in den wesentlichsten 
Zügen einen gleichartigen Bau besitzen, führt von selbst zur Fragestellung, 
ob sich auch gleiche oder doch ähnliche Funktionen finden. 
Diese Frage wollen wir hier vom Standpunkt des Stoffwechsels und ins- 
besondere desjenigen des Eiweifes bzw. der Aminosáuren beantworten. 
Es sei gleich hervorgehoben, daß je weiter wir in die einzelnen 
Stoffwechselvorgänge in der Pflanze vordringen, um so mehr 
Prozesse bekannt werden, die im Tierreich ihr Analogon haben. 
Wir müssen bei der Pflanze zwei Vorgänge trennen?), nämlich einerseits 
die Bildung von organischer Substanz aus den Elementen unter Mitwirkung 
von Sonnenenergie und andrerseits den Ab-, Auf- und Umbau jener Ver- 
bindungen, die den Pflanzenzellen als Resultat photochemischer Vorgänge 
zufließen. Bei der Synthese der organischen Verbindungen aus den Ele- 
menten entstehen Produkte, die nicht ohne weiteres für jede einzelne 
Pflanzenzelle mit ihren verschiedenartigen Funktionen geeignet sind. Es 
muß eine Anpassung an die besonderen Verhältnisse stattfinden. Auch die 
Pflanzenzelle hydrolysiert zusammengesetzte Verbindungen und baut aus 
den entstandenen Abbaustufen neue Produkte auf. Ferner kann sie 
gebildete Bausteine- stufenweise weiter zerlegen und sich die in ihnen auf- 
gespeicherte Energie genau so nutzbar machen, wie die Tierzelle. 
Endlieh vermag die Pflanzenzelle aus den ihr zugeführten Stoffen Fermente 
und auch Sekretstoffe aller Art zu bereiten. Wir kennen auch Stoffwechsel- 
endprodukte, doch werden wohl die meisten davon, da die Pflanze mit 
Ausnahme der Kohlensäure wohl kaum Auswurfstoffe abgibt, wieder von 
neuem zu Synthesen verwendet. Zahllos sind die Verbindungen, die die 
Pflanze synthetiseh mit Hilfe ihrer Zellen aufbauen kann. Wir finden im 
Pflanzenreieh außer den oft genannten Nahrungsstoffen und ihren Bau- 
steinen Angehórige der Reihe der Kohlenwasserstoffe, der Alkohole, 
der Phenole, der Aldehyde, Ketone und Sáuren. Wir begegnen einer 
fast unerschôpflichen Mannigfaltigkeit in der Bildung von Riechstoffen, 
von Farbstoffen und ferner von Alkaloiden. In diesen Stoffen kenn- 
zeichnet sich die Eigenart des Pflanzenorganismus. Die meisten dieser 
Stoffe stellt die Tierzelle nicht dar. Typische Pflanzenprodukte sind ferner 
die Gerbstoffe, die Flechtenstoffe, die Saponine, die Bitterstoffe, 
die Harze und der Kautschuk. Die Zahl der von der Pflanzenwelt mit 
allen ihren Arten hervorgebrachten Verbindungen ist eine ganz gewaltige. 
Von den Grundstoffen Kohlensäure und Wasser nehmen alle diese Stoffe, 
die wir zum Teil meist auf großen Umwegen in mühsamer Arbeit im 
Laboratorium bereiten können, ihren Ausgang. Der tierische Organismus 
bereitet auch Verbindungen eigener Art, die der Pflanzenzelle vollständig 
fehlen. Es sei z. B. an den Blutfarbstoff, an die Gallensäuren, an 
das Adrenalin usw. erinnert, doch steht er in der Mannigfaltigkeit seiner 
Synthesen weit hinter der Pflanze zurück, Es kann das nicht daran liegen, 
daß das Tier die Sonnenenergie nicht direkt benutzen kann, denn die 
1) In Wirklichkeit dürften wohl beide Vorgänge die mannigfachsten Beziehungen 
zueinander unterhalten. Eine so scharfe Abgrenzung ist notwendig, um die beiden Vor- 
gänge zu verstehen. 
Abderhalden, Physiologische Chemie. I. Teil, 5. Aufl. 28 
  
  
 
	        
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