Vorlesung XXIII.
Eiweifüstoffe und ihre Bausteine.
(
Verhalten der Eiweißstoffe im tierischen Organismus. Ihr Abbau im
Magendarmkanal.
Der tierische Organismus nimmt mit seiner Nahrung beständig Ei-
weiß auf, besteht sie doch aus mehr oder weniger veränderten Zellen, die
alle Proteine enthalten. Daneben sind in sehr geringen Mengen auch Ab-
baustufen, wie Peptone und Aminosäuren, vorhanden. Sie sind teils auf
Stoffwechselvorgänge in den betreffenden Geweben zurückzuführen, zum
Teil entstehen sie postmortal durch sogenannte autolytische Vorgänge.
Wir werden bald erfahren, daß alle Zellarten über Fermente verfügen,
die Eiweiß bis zu seinen Bausteinen abbauen können. Während in der
lebenden Zelle die einzelnen Fermente nur nach Bedarf ihre Wirkung
entfalten, beginnen sie in der toten Zelle mit der Änderung der physikali-
schen Bedingungen des Zellinhaltes regellos ihre Tätigkeit zu entfalten.
Dabei kommt es unter anderem auch zur Bildung von Eiweißabbaustufen.
Die Zellfermente der Nahrung können auch im Verdauungskanal noch
weiter wirken, solange sich Bedingungen finden, die ihrer Wirksamkeit
nicht Halt gebieten. Für uns kommen sie nur insoweit in Betracht, als
wir Nahrungsmittel nicht in gekochter oder sonst künstlich veränderter
Form aufnehmen. Die Fermente vertragen keine höheren Temperaturen.
Kochen vernichtet ihre Wirksamkeit. Auch sonst sind sie gegenüber ver-
schiedenen Einwirkungen, wie Veränderung der Reaktion sehr empfindlich.
Nur beim Pflanzenfresser kommt den proteolytischen Zellfermenten eine
die Verdauung in größerem Umfange unterstützende Bedeutung zu!), weil
die Pflanzenzellen nicht so rasch von den V erdauungssäften durchdrungen
werden, wie es beim Fleisch der Fall ist, und ferner die Herbivoren vielfach
Vorrichtungen besitzen, in denen die zerkaute Speise längere Zeit bei Körper-
temperatur aufbewahrt werden kann, und zwar unter Bedingungen, die der
Wirkung jener Fermente günstig sind. Es sei z. B. an die Einrichtungen
des Wiederküuermagens erinnert.?) Der Pflanzenfresser nimmt mit seiner
!) Ellenberger : Skand. Arch. f. Physiol. 18. 306 (1906). — P. Bergmann: Ebenda
18. 119 (1906). — W. Grimmer: Biochem. Zeitsehr. 4. 80 (1907). — Hans Aron und
Pawl Klempin: Ebenda. 9. 163 (1908).
?) Vel. S. 100.