Eiweißstoffe und ihre Bausteine. 487
Befindet sich der früher vom Magen abgegebene Chymus auf einer tiefen
Stufe des Abbaus, so setzt eben die Abspaltung von Aminosäuren in der
'Chymusmenge ein, die den Magen später verlassen hat. Wir müssen somit
stets, wenn wir Darminhalt untersuchen, alle möglichen Grade des Eiweib-
und Peptonabbaus nebeneinander finden. :
: Die Untersuchung des Darminhaltes auf Aminosáuren
stützt die Annahme, daß die Proteine im Magendarmkanal
tief abgebaut werden. Da wir jedoch aus den wiederholt angege-
benen Gründen neben Aminosüuren stets Peptone antreffen "und niemals
nur Bausteine der Proteine, so dürfen wir aus dem Befunde jener Amino-
süuren im Darminhalt, die erst in Erscheinung treten, wenn das Eiweib-
molekül schon sehr weit abgebaut ist, noch nicht den Schluß ziehen, daß
alle Peptone zu Aminosäuren aufgelöst werden, bevor die Resorption ein-
setzt. Es könnten ja fortwährend Peptone dem weiteren Abbau durch die
Aufnahme in die Darmwand entzogen werden. Es wäre in diesem Falle
von größtem Interesse, zu erfahren, weshalb einzelne Peptone tief abgebaut
werden und andere nicht. Anzunehmen, daß der tiefgehende Abbau dem
Zufall unterworfen ist und nur jene Peptone betrifft, die nicht rasch genug
zur Resorption gelangen, erscheint gezwungen. Es liegt jedoch die folgende
Möglichkeit vor. Der Abbau resorbierter Peptone kann in der
Darmwand fortgesetzt und vollendet werden. Bekanntlich hemmen
die Eiweißabbaustufen den weiteren Verlauf der Fermenthydrolyse. Durch
die fortwährende Fortnahme der sich bildenden Spaltprodukte wird ein
möglichst rascher Abbau der Peptone gewährleistet. Es würden in diesem
Falle der Abbau im Darmkanal und jener in der Darmwand sich gegen-
seitig unterstützen. Die weitgehende Hydrolyse im Darmkanale würde als
Vorarbeit der Spaltung resorbierter, noch zusammengesetzter Verbindungen
in den Zellen der Darmwand zu betrachten sein.
Das ganze Problem würde wesentlich klarer liegen, wenn ganz scharf
und eindeutig zu entscheiden wäre, ob die Darmschleimhaut unter
normalen Bedingungen Peptone aufnimmt. Es genügt durchaus
nicht, festzustellen, daß bestimmte Zellen zur Aufnahme eines Stoffes ge-
zwungen werden können, um die Frage zu entscheiden, wie ein bestimmtes
Gewebe sich unter normalen Verhältnissen verhält. Es sei in dieser Be-
ziehung z. B. auf die Niere verwiesen. Sie läßt unter normalen Bedingungen
keinen Zucker in den Harn übertreten. Eine Veränderung des Gehaltes des
Blutes an bestimmten Ionen und eine Änderung der Reaktion des Blutes genügt,
um sie für Glukose durchlässig zu machen, ja schon ein Ansteigen des Ge-
haltes des Blutes an Zucker reicht aus, um diesen durch die Nierenepithelien
zur Ausscheidung gelangen zu lassen. Gewiß können wir unter geeigneten
Bedingungen auch Rohrzucker im Darmkanal zur Resorption bringen. Bei
diesem Disaccharid ist ganz eindeutig festgestellt worden, daß es nicht
ins Blut übertritt, wenn wir nicht absichtlich durch Zufuhr großer Mengen
davon seinen Übergang erzwingen. Ob nun der Rohrzucker unter normalen
Verhältnissen bereits im Darmkanal vollständig zerfällt oder zum Teil erst
in der Darmwand, ist für die Bedeutung der Hydrolyse des Rohrzuckers
gleichgültig. Er ist für die Zellen des tierischen Organismus so lange unver-
wertbar als seine Komponenten in ihm gebunden sind, dagegen sind diese
selbst — Trauben- und Fruchtzucker — für diese von größter Bedeutung.
=== Sa