Eiweißstoffe und ihre Bausteine. 489
Es ist ferner betont worden, daß schon deshalb nicht an einen Abbau
der Peptone bis zu Aminosäuren gedacht werden dürfe, weil weit abgebaute
Peptone und manche Aminosäuren auf die Darmschleimhaut reizend wirken
sollen. Nun entstehen unter normalen Verhältnissen die Aminosäuren immer
nur in geringen Mengen. Die Resorption setzt sofort ein. Außerdem reizen
nur bestimmte Aminosäuren, wie z. B. die Glutaminsäure, das Lysin und
Arginin usw., die Darmschleimhaut etwas, jedoch erst in höherer Kon-
zentration. Die Reizwirkung der durch fermentativen Abbau gewonnenen
Eiweißabbaustufen dürfte meistens auf Produkte bakterieller Tätigkeit
zurückzuführen sein. Man findet, wenn die Verdauung nicht unter Aus-
schluß von Bakterien durchgeführt wird, im Verdauungsgemisch sogenannte
Amine. Wir kommen auf diese Verbindungen noch zurück. Sie bilden sich
auch im Darmkanal unter dem Einfluß der Darmflora. Wir kennen auch
Peptone die stark reizend wirken, sobald sie in höheren Konzentrationen
zugegen sind. Trotzdem werden sie beim Abbau der Proteine im Magen-
darmkanal gebildet. Sie entstehen jedoch immer nur in kleinsten Mengen.
Der Abbau schreitet rasch fort.
Können wir somit den vorliegenden Versuchen über die Resorption
von Peptonen und Aminosäuren keine entscheidende Bedeutung zuer-
kennen!), so müssen wir doch unbedingt mit der Möglichkeit
rechnen, daß auch zusammengesetzte Abbaustufen der
Proteine zur Resorption gelangen.
Wenn wir alle vorliegenden Ergebnisse zusammenfassen, dann kommen
wir zum Schlusse, daß das Eiweiß der Nahrung im Magendarm-
kanal sicher zu Peptonen und Aminosäuren abgebaut wird.
Wie weit der Abbau jedes einzelnen Peptons geht, bevor
die Resorption einsetzt, darübergeben die bisherigen Unter-
suchungen keine sicheren Anhaltspunkte. Eine direkte Beweis-
führung ist unmöglich, weil wir die Verdauung im Darmkanal immer nur
in bestimmten Momenten untersuchen können. Immer kommt aus dem Magen
neuer Chymus zum bereits vorhandenen hinzu und überschwemmt den |
Darm mit Peptonen. Gleichzeitig arbeitet auf der anderen Seite die Re- |
sorption der Verfolgung des weiteren Sehieksals der Peptone entgegen. Wir
kónnen somit nur mit Wahrseheinliehkeitsgründen und indirekten Ver-
suchen uns ein Urteil über den Grad des Abbaus der Proteine unter natür- (ES
lichen Bedingungen bilden. Wichtig ist, daß der tierische Orga- aM
nismus in den Darmkanal Fermente abgibt, die in gemein- VIN
samer Wirkung das Proteinmolekül restlos bis zu den Bau-
steinen zerlegen können. Von Bedeutung ist ferner der E
Befund aller Aminosáuren im Darminhalt. Selbst jene M
Aminosäuren, die bei der Verdauung im Reagenzglas spit |
in Erscheinung treten, sind im Darmkanal anzutreffen.
1) L. Borchardt [Zeitschr. f. physiol. Chem. 51.'506 (1907); 57. 305 (1908)] gelang
es, ein Pepton aus Elastin zur Resorption zu bringen, wenn er es in größeren Mengen
einführte. Dieser Befund, der übrigens von uns [Emil Abderhalden und Ernst Rühl:
Zeitschr. f. physiol. Chem. 69. 301 (1910)] nicht bestätigt werden konnte, gestattet keine
Schlüsse auf die Art der unter gewöhnlichen Verhältnissen zur Resorption gelangenden
Eiweißabbaustufen. Das betreffende; infolge seiner Eigenschaften leicht nachweisbare
Pepton wird offenbar sehr schwer abgebaut. Überschwemmt man den Magendarmkanal
mit ihm, dann kann man es nach Borchardt zur Resorption bringen.