544 : XXVI. Vorlesung.
solehen im Blute kommen, wenn der Zustrom keine Unterbrechung erlitte
Diese erfolgt dadurch, daf entweder die Darmwand oder die Leber Amino-
süuren zurückhált. Einerseits werden Proteine aufgebaut, die den Reserve-
vorrat des Blutplasmas an Eiweiß ergänzen. Ferner setzt der Abbau der
Aminosäuren und die Bildung. von Traubenzucker und von anderen Ver-
bindungen ein. Hierbei wird Ammoniak gebildet. Ferner haben vielleicht
auch die Körperzellen bei der Bildung von Sekret- und Inkretstoffen
manche Aminosäuren ihrer Aminogruppe beraubt. Außerdem geht der
Stoffumsatz in den Zellen weiter. So kommt es, daf sehr bald der größte
Teil des mit dem Eiweiß aufgenommenen Stickstoffs im Harn zur Aus-
scheidung gelangt. Nun ist die Resorption vollendet... Den Körperzellen
steht nur noch ein geringer Vorrat an freien Aminosäuren zur Verfügung.
In der Hauptsache sind sie jetzt auf Eiweiß angewiesen. Braucht irgend
eine Zelle Kiweiß bzw. Aminosäuren, dann entzieht sie dem Blute Eiweiß.
Sie kann dieses für ihre besonderen Zwecke nicht direkt verwenden. Sie
muß es vielmehr zuerst tief abbauen, wohl meist bis zu Aminosäuren. Auf
diese Weise büßt das Plasma Eiweißstoffe ein. Vielleicht findet ein Ersatz,
von den Organzellen aus statt. Diese verfügen vielleicht über Eiweiß, das
nicht unmittelbar zur Zelle hinzugehört, d. h. nicht als Baustein der Zelle
zu betrachten ist. Es ist jedoch auch möglich, daß bestimmte Zellarten
die Aufgabe haben, die Zusammensetzung des Plasmas’ nach allen Rich-
tungen zu überwachen und zu verhindern, daß es zu einer H yper- oder
Hypoproteinoplasmie und zu einer Hy per- oder Hypoamino-
azidoplasmie kommt. Wir sind der Ansicht, daü der Darmwand und
der Leber gemeinsam mit den Nieren eine sehr große Bedeutung in dieser
Richtung zukommt. Wird nun wieder Eiweiß aufgenommen, so sind zahl-
reiche Bedürfnisse zu befriedigen. Es muß das verbrauchte Plasmaeiweiß
ersetzt werden. Die Zellen füllen die Lücken, die im Vorrat an aufge-
stappeltem Umsatzeiweiß entstanden sind, wieder aus usw.
Schließlich müssen wir noch auf die Frage zurückkommen, ob jede
einzelne Körperzelle Eiweiß ab- und aufbauen kann, und ferner jede Zell-
art zur Bildung von Glukose aus bestimmten Aminosäuren befähigt ist.
Eine sichere Beantwortung dieser Fragen ist zurzeit nicht möglich. Immer-
hin darf aus allen Beobachtungen geschlossen werden, daß jede einzelne
Gewebszelle selbständig in den Eiweißstoffwechsel eingreift und ohne Zweifel
bei Bedarf auch aus Aminosäuren Zucker hervorgehen lassen kann. Dagegen
scheint dann, wenn es sich darum handelt, größere Mengen von nicht ver-
wertbaren Aminosäuren in Form von Zucker oder über diesen in Form von
Fett zu speiehern, insbesondere die Leber mit ihren Zellen einzugreifen.
Müge sich nun der Eiweif- und Aminosäurestoffwechsel in manchen
Einzelheiten auch anders abspielen, als es dargestellt wurde, so bleibt
doch als wesentlichster Punkt, daß nicht das Eiweiß als solches,
sondern die Aminosäuren im Mittelpunkt aller Probleme
des Zellstoffwechsels stehen. Jede Umwandlung führt über diese
Verbindungen, sei es nun, daß Eiweiß aufgebaut werden soll oder be-
stehendes in anderes übergeführt wird. Von den Aminosäuren aus führt
auch der Weg zu anderen Verbindungen. Aus diesem Grunde werden wir
der Entstehung von Aminosäuren im Zellstoffwechsel und den sie betreffen-
den Umwandlungen ein besonderes Interesse entgegenbringen.