268 XV. Vorlesung.
enge Beziehungen zwischen dem dem Ferment zugrunde liegenden Stoff
und' dem Substrat vorhanden seien. Es sollten z. B. die Kohlehydrate
spaltenden Fermente selbst Kohlehydrate sein oder doch diesen sehr nahe
stehen. Es ist jedoch fraglieh, ob solehe Zusammenhünge vorhanden sind.
Eine weitere, in ihren Folgerungen mehr als je zweifelhafte Rich:
tung der Fermentforschung lehnt sich an Beobachtungen an, die bei
Studien über Immunitätsreaktionen gewonnen worden sind. Man suchte
durch parenterale Zufuhr von Fermentlösungen im Blutplasma Stoffe zu
erzeugen, die die Wirkung der zugeführten Fermentart hemmen. Man
dachte an die Bildung von Antistoffen, Antifermente genannt. So hat man
Labfermentlösung subkutan zugeführt und dann auf y Antilabwirkung“ ge-
fahndet.!) In der Tat soll das Plasma von Tieren, denen Labferment in
der erwähnten Weise zugeführt worden ist, die Labwirkung stark hemmen.
Sogenannte Antifermente sind dann auch gegen Lipase, Laktase, Amylase,
Inulinase, Pepsin, Trypsin, Fibrinferment, Tyrosinase, Lakkase und Urease
dargestellt worden.: In keinem einzigen Falle ist jedoch der Beweis erbracht
worden, daß. wirklich ein Antiferment erzeugt worden ist.?) Es kann nur
als in einzelnen Füllen festgestellt gelten, daf nach parenteraler Zufuhr
von Fermentlösungen hemmende Einflüsse auf die Wirkung des zuge-
führten Fermentes sich geltend machen. Die Ursache für diese Erschei-
nung kann eine mannigfache sein. Am naheliegendsten ist die Annahme.
daf nieht das eigentliche Ferment Bedingungen schafft, die zu hemmenden
Einfliissen führen, sondern Beimengungen von im kolloiden Zustand be-
findliehen Teilehen und vor allem Eiweifteilehen, die mit der Ferment-
wirkung in gar keinem Zusammenhang zu stehen brauchen. Es ist bekannt.
daB die parenterale Zuführ von Eiweiß dem Blutplasma besondere Eigen-
schaften verleiht." Wir haben ihrer schon S. 409, Teil Il, gedacht. Das
betreffende Plasma gibt mit der injizierten Eiweißart zusammen eine Aus-
flockung, Präzipitinbildung. Es künnte leieht sein, daß auf einer solchen
Erscheinung auch die hemmende Wirkung des „Antifermentplasmas“ be-
ruht, d. h. es wäre denkbar, daß auf Produkte, die dem Ferment beigemengt
sind, eingestellte Stoffe im Plasma des vorbehandelten Tieres die Ursache
der hemmenden Wirkung sind. Wir können erst dann von Antifermenten
sprechen, wenn von reinen Fermenten ausgegangen werden kann, und
ferner auch der Antikörper bekannt ist. Von der Erfüllung dieser Forde-
rung sind wir noch weit entfernt. Es entspricht dem Stande der ganzen
Forschung besser, wenn wir vorläufig von der Möglichkeit sprechen,
dureh parenterale Zufuhr von Fermente enthaltenden Gemischen im Blut-
plasma Bedingungen hervorzurufen, die hemmend auf manche Ferment-
wirkung sind. Vielleicht ist die Beobachtung berufen, Licht in die ganzen
Verhältnisse zu bringen, wonach Erwärmen auf 56—60° vorhandene pro-
teolytische Wirkung aufheben kann. Fügt man nicht erwärmtes, jedoch
an Proteasen und Peptasen freies Serum hinzu, so tritt die proteolytische
Wirkung wieder auf.) Wahrscheinlich beruht diese Erscheinung darauf.
‘) Morgenroth; Zbl. £. Bakteriol. 26. 349 (1899); 27. 721 (1900).
?) Vgl. zu dem ganzen Problem: Emil Abderhalden und E. Wertheimer : Ferment-
forschung. 6. 286 (1922).
*) Emil Abderhalden und L. Grigorescu: Med. Klinik. 10. Nr.17 (1914). — Richard
Stephan: Münchn. med. W. 63. Nr. 15, 801 (1914). — Vgl. hiezu auch die Beobach-
tung von Dwur?eur [Bull.soc. chim. Belge. 28. 99 (1914)] und G. Bertrand und M. Rosen-