Full text: Die anorganischen Nahrungstoffe. Die Bedeutung des physikalischen Zustandes der Zell- und Gewebsinhaltsstoffe für ihre Funktionen. Die Fermente, ihr Wesen, ihre Wirkung und ihre Bedeutung. Probleme des Gesamtstoff- und -kraftwechsels. Stoff- und Kraftwechsel einzelner Organe und Zellen (2. Teil)

   
  
  
Fermente. 281 
C(CH;), .0H —* 2 CH; . CO.CH,.!) Hydroxylionen beschleunigen die Reaktion 
stark. Innerhalb bestimmter Grenzen erreicht man nun das gleiche Gleich- 
gewicht, gleichgültig, ob grofe- oder kleine Mengen von OH-Ionen vor- 
handen sind, und ob der Alkohol bzw. das Azeton in grüferer oder ge- 
ringerer Konzentration zugegen ist! Das Verhältnis der Konzentration im 
Gleiehgewiehtszustand ist immer das gleiche. 
Wir haben betont, daß die Katalysatoren im allgemeinen zu dem 
gleichen Gleichgewicht, nur zeitlich verschieden rasch, führen, das auch 
ohne sie erreicht wird. Wir betonen das „im allgemeinen“, weil zahlreiche 
Beobachtungen vorliegen, die nicht ohne weiteres mit diesem Satze in 
Finklang zu bringen sind. Ein sehr hiibscher Fall dieser Art ist der fol- 
gende.?) Diazoessigester zerfällt bei Gegenwart von H-Ionen vollständig 
in Glykolsäureester und Stickstoff: N,:CH.COO.C,H, + H,0 + H—> 
CH,(OH).COO.C,H; J4- N, -- H. Man erkennt aus dieser Gleichung, daß 
die H-Ionen als echte Katalysatoren unverändert bleiben. Sobald man sie 
wegfängt, indem man z. B. durch Zusatz von Cl-Ionen eine Nebenreaktion 
veranlaßt, so kommt die Reaktion zum Stillstand: N,.CH.COO.G,H, 4 
H* -- CI-—* CH, (C). C00 . C,H, + N,. Es scheint ein Gleichgewicht ein- 
getreten zu sein, das jedoch in Wirklichkeit ein nur scheinbares ist. denn 
es. läßt sich sofort verschieben, indem man von neuem H-Ionen zufügt. 
Man hat solche Gleichgewichte auch „falsche“ oder besser „scheinbare“ 
genannt.®) Man könnte auch von einem „bedingten“ Gleichgewicht spre- 
chen oder einem „Zwischen-“ und „Endgleichgewicht“. Es kann ein 
Gleichgewicht durch die vorhandenen Verhältnisse bedingt sein. Es kommt 
infolgedessen .zu einem vorübergehenden Gleichgewicht, das sich sofort 
ändert, wenn. die Bedingungen sich ändern. Das Endgleichgewicht ist das- 
Jenige, zu dessen Änderung Energiezufuhr notwendig ist. Amygdalin 
läßt sich dureh fein verteiltes Platin in seine Anteile spalten.*) Die 
Reaktion wird jedoeh bald sehr stark verlangsamt, weil die sich bildende 
Blausäure das Platin so verändert, daß es nicht mehr als Katalysator 
wirken kann. Es vollzieht sich dann die Reaktion mit der Geschwindig- 
keit, mit der.sie ohne Zusatz eines Katalysators verlaufen würde. Sie 
geht in Wirklichkeit so langsam vor sich, daß sie kaum feststellbar ist. 
Infolgedessen könnte man leieht an die Erreichung eines Gleichgewichtes 
denken. Alle diese Fälle bilden somit nur eine scheinbare Ausnahme von 
dem Satze, daß die Katalysatoren im Gange befindliche Reaktionen nur 
zeitlich beeinflussen, jedoch das schließlich sich „freiwillig“ einstellende 
Gleichgewicht nicht verschieben. 
Ein besonderer Fall kann dann eintreten, wenn der. Katalysator 
nicht einfach durch seine Anwesenheit wirkt, sondern an der 
Reaktion selbst in irgend einer Weise teilnimmt. Wir haben solche 
Füle bereits kennen gelernt und gesehen, daf Katalysator und zu ver- 
') Koelichen: Zeitsehr. f. physikal. Chem. 33. 129 (1900) [S. 18]. 
?) W. Fraenkel: Zeitschr. f. Elektrochemie. 11. 525 (1905); Zeitschr. f. physikal 
Chemie. 60. 202 (1907). 
?) Vgl. hiezu aueh. Tammann : Zeitschr. f. physikal. Chem. 3. 25 (1889); 18. 416 
(1895); 37. 257 (1901); Zeitschr. f. physiol. Chemie. 16. 281 (1895). — Vgl. ferner Rad. 
Hoeber: Physikalische Chemie der Zelle und der Gewebe. 5. Aufl. Wilhelm Engelmann. 
Leipzig-Berlin. 1922. 
*) C. H. Neilson: Americ. Journ. of physiol. 15. 148 (1906) 
  
  
  
  
  
  
  
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