(1907
298 XVI. Vorlesung.
beteiligt sind, zu sprengen und in ihre Bestandteile aufzulösen.!) Es ist so-
mit möglich, ‘auf sun Eiweibabkômmlinge eingestellte Fermente nach
ihrem Verhalten gegenüber bestimmten Po olypeptiden in die genannten drei
Gruppen von Fermenten m QU. nen Wir kónnen aber noch weiter gehen.
Nehmen wir an, wir hátten zwei Fermentlósungen, z. B. Darmsaft und. Hefe-
prefisaft, die beide ein bestimmtes Dipeptid, z. B. d-Alanyl-glyzin, spalten.
Die eine Fermentlosung wird zunächst die Hydrolyse rascher zu Ende
führen als die andere. Wir können jedoch beide fermenthaltigen Lösungen
so einstellen, daß sie das genannte Dipeptid unter gleichen Bedingungen
in genau derselben Zeit vollständig abbauen. Wir können nun an Stelle des
d-Alanyl-glyzins ein anderes Dipeptid wählen und nun beide im erwähnten
Sinne auf d-Alanyl- elyzin eingestellten Fermentlósungen auf dieses einwirken
lassen.?) Es sind zwei Fälle möglich. Entweder bauen beide Fermente das
neue Dipeptid in der gleichen Zeit ab, oder aber es zeigen sich Unterschiede.
In noch viel übersichtlieherer Weise läßt sich die Frage, ob zwei auf
ein bestimmtes Dipeptid eingestellte Fermentlósungen sich gleich verhalten
oder Unterschiede zeigen, entscheiden, wenn an Stelle eines Dipeptids ein
optiseh-aktives Tri- oder ein noch mehr Aminosäuren enthaltendes Poly-
peptid gewählt wird. Die folgenden Beispiele zeigen sofort, daß sich bei
geeigneter Auswahl von Polypeptiden scharf entscheiden läßt, an welcher
Stelle der Polypeptidkette der Abbau bei Verwendung einer bestimmten
Fermentlósung einsetzt:
+200 —64° +30°
l-Le Leuzyl-glyzyl- d-alanin Glyzyl-d-alanyl-glyzin d-Alany l-glyzyl- l-glyzin
TO. 0? T9 70. 0? 4-919 0? 4-91» 0? ov
M — À— esee ie
4 85^ —50° + 50°
Dr 90 —— MÀ — M -—————————óÓ
—50° +50° 0°
Wird z. B. im Tripeptid d-Alanyl-glyzyl-glyzin, das eine spezitische
Drehung von +30° aufweist, zuerst d-Alanin abgespalten, dann wird sich
das an einem fortwährenden Sinken des Drehungsvermógens kundgeben,
denn die entstehenden Spaltstüecke drehen zum Teil überhaupt nieht — Gly-
zyl-glyzin —, zum Teil nur wenig — d-Alanin (--27*). Wird die Kette am
anderen Ende zuerst angegriffen, d. h. wird zuerst Glykokoll frei, dann muf)
das Drehungsvermógen ansteigen, denn das sieh bildende d-Alanyl-glyzin
zeigt die spezifische Drehung + 500. Es wäre natürlich auch denkbar, daß
der. Abbau der Polypeptide an Verschiedenen Stellen zugleich einsetzt. Soweit
die bisherigen Beobachtungen reichen, ist dies nicht der Fall. Der Abbau
der Polypeptide ist ein stufenw eiser. Die Vergleichung von Darmsaft und
Hefepreßsaft, die im oben geschilderten Sinne auf d-Alanyl-glyzin einge-
stellt worden waren, hat ergeben, daß beide Fermentlösungen Tripeptide
an der gleichen Stelle angreifen und in gleicher Weise abbauen. 2)
Die Versuche weisen einen Weg, um zu prüfen, ob die sog. pro-
teolytischen und die ET LO Fermente einheitlich sind,
!) Emil Abderhalden und Yutaka Teruuchi : Zeitschr. f. physiol. Chem. 49. 1 (1900).
?) Emil Abderhalden und A. H. Koelker: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 54. 363
und 56. 416 (1908).
$) Vgl. Emil Abderhalden und C. Brahm : Zeitschr. f. physiol. Chem. 57. 342 (1908).
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