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414 XXII. Vorlesung.
auftreten. Ferner lassen sich die Symptome der alimentüren Dystrophie
beseitigen, wenn man der Nahrung Kleie oder Hefe zufügt. Diese Beob-
achtungen. regten dazu an, den Versuch zu machen, aus den genannten
Produkten das wirksame Prinzip zu gewinnen. Man ging dabei von der
Vorstellung aus, daf in der Kleie und der Hefe Stoffe enthalten sind,
die zur Aufrechterhaltung des Stoffwechsels unentbehrlich sind. Sie finden
sich auch im geschliffenen Reis, ihre Menge ist jedoch nicht ausreichend. Es
wurden z. B. alkoholisech-wüsserige Auszüge bereitet. Es gehen dabei
Produkte in Lösung, die imstande sind, Krampferscheinungen rasch zu
beseitigen. Lähmungen weichen nur langsam. Eben noch in schwersten
Krämpfen sich überschlagende Tauben werden nach enteraler oder paren-
teraler Zufuhr von aus Hefe oder Kleie gewonnenen Auszügen nach kurzer
Zeit ruhig. Oft tritt Schlaf ein. Es folgt dann große Freßlust. In kurzer
Zeit machen die Tiere einen ganz normalen Eindruck. Körpertemperatur,
Atmung und Herztätigkeit werden wieder normal. Es sei gleich hervor-
gehoben, daß es nicht möglich ist, mit solchen Auszügen Tauben bei aus-
schließlicher Ernährung mit geschliffenem Reis gesund zu erhalten. Es treten
nach mehr oder weniger langer Zeit Krämpfe auf, oder aber es gehen
die Tiere, ohne besondere Symptome zu zeigen, zugrunde. Gibt man da-
gegen Kleie oder noch besser Hefe mit allen Inhaltsstoffen, dann kann
man solehe ,Krampftauben^ nieht nur wieder völlig herstellen, sondern
sie bleiben bei dauernder Zufuhr von ,Hefepillen“ über eine sehr lange
Zeit hindureh gesund und munter. Je mehr man das wirksame Prinzip
reinigt, um so mehr kann man gewisse Wirkungen steigern, gleichzeitig
wird jedoch das Präparat zur Erhaltung des Lebens minderwertiger. Es
unterliegt nach allen Beobaehtungen keinem Zweifel, daf sowohl in der
Kleie als in der Hefe mehrere wirksame Stoffe zugegen sind.
Zu einer vollwertigen Wirkung gehóren wahrscheinlich mehrere Pro-
dukte. In Abb. 21 und 24 sind Tauben dargestellt, die sich im Krampf-
stadium befinden. Beide Tiere erhielten intramuskulür Stoffe, die Hefe-
zellen dureh Ausziehen mit Alkohol entzogen worden waren. Nach etwa
15 Minuten befanden sieh die Tiere in dem in den Abb. 22 und 25 darge-
stellten Zustand. In ganz kurzer Zeit erfolgte dann vollständige Erholung
(vgl. Abb. 23 und 26). Bemerkt sei noch, daß in der Kleie und in der
Hefe nur ein kleiner Teil der wirksamen Stoffe in freiem Zustand zu-
gegen sind. Der grófte Teil findet sich in diesen Materialien gebunden.!)
Aus den mitgeteilten Beobachtungen und auf Grund schon Seite 400 ff
erwähnten Erfahrungen an anderen Tierarten und zum Teil auch mit
anderen Nahrungsmitteln ergibt sich, daß es ‚solche gibt, die nicht aus-
reichend sind, um ein Tier auf die Dauer im normalen Stoffwechsel-
zustand zu erhalten. Ferner wissen wir, daß durch bestimmte Zusätze, zwar
noch nicht reiner und ihrer Struktur nach noch ganz unbekannter Stoffe
eine mehr oder weniger vollständige Ergänzung des an sich ungenügen-
den Nahrungsmittels möglich ist. Geschliffener Reis plus 0:25—0:5 g Hefe
pro Tag ermöglicht, Tauben über viele Monate hinaus in einem. Zustand
zu erhalten, der nichts Abnormes erkennen läßt.?) Läßt man die Hefe
weg, dann kommt es bald zu schweren Erscheinungen. Schließlich geht
!) Emil Abderhalden; Pflügers Archiv. 198. 329 (1922).
*) Emil Abderhalden: Pflügers Archiv. 188. 60 (1921).