Full text: Die anorganischen Nahrungstoffe. Die Bedeutung des physikalischen Zustandes der Zell- und Gewebsinhaltsstoffe für ihre Funktionen. Die Fermente, ihr Wesen, ihre Wirkung und ihre Bedeutung. Probleme des Gesamtstoff- und -kraftwechsels. Stoff- und Kraftwechsel einzelner Organe und Zellen (2. Teil)

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139 XXIII. Vorlesung. 
  
Wir müssen ferner berücksichtigen, ob der Organismus ruht, oder ob er 
tütig ist. Von grüfter Bedeutung ist auch der ganze Zustand des Orga- 
nismus. Es ist nieht gleiehgültig, ob er gut genührt ist oder aber, ob 
eine Hungerzeit vorausgegangen ist. Es ist außerordentlich schwierig, zu 
vergleiehbaren Werten zu kommen, wenn man Stoffwechselversuche an 
verschiedenen Individuen .der gleichen Art auszuführen hat, weil jedes 
Individuum beim Beginn des Versuches unter verschiedenen Bedingungen 
stehen. kann. 
Wir wollen gleich betonen, daß die Feststellung des Minimums an 
Nahrung, mit dem ein Organismus gerade noch auskommt, für jeden 
einzelnen Nahrungsbestandteil wissenschaftlich von Bedeutung ist. Für die 
praktische Ernährungslehre haben solche Feststellungen nur den Wert, daß 
sie uns zeigen, von welcher Menge ab Unterernährung eintreten muß, 
niemals dürfen jedoch die Minimalmengen für den praktischen Gebrauch 
angestrebt werden. Das heißt mit anderen Worten, die ausreichende Er- 
nährung muß stets über dem festgestellten Minimum liegen, damit für 
erhöhte Anforderungen ein Spielraum bleibt. 
Eine weitere große Schwierigkeit in der Beantwortung der Frage 
nach dem Bedarf an einer bestimmten Menge der einzelnen Nahrungs- 
stoffe bereitet der Umstand, daß die Zusammensetzung der verabreichten 
Nahrung einen wesentlichen Einfluß auf den Bedarf an diesen haben kann. 
Wir können nur zum Ausdruck bringen, daß unter diesen oder jenen 
Bedingungen von- einem bestimmten Nahrungsstoff so und so viel Gramm 
benötigt werden. Wie schon erwähnt, spielt auch die Entwieklungsperiode 
eine große Rolle. Der wachsende Organismus stellt andere Ansprüche als 
der erwachsene. : 
Weiterhin wirkt auf die Beurteilung der Mengen, in denen bestimmte 
Nahrungsstoffe zugeführt werden müssen, soll der Verbrauch an solchen 
nicht die zur Verfügung gestellte Menge übertreffen, störend, daß der Or- 
ganismus nicht eine Maschine darstellt, in der die aufgenommenen Stoffe 
ohne weiteres umgesetzt werden. Der gesamte Zellstaat kann vielmehr 
Nahrungsstoffe direkt oder nach erfolgter Umwandlung speichern. Um- 
gekehrt kann er aus den Speichern Nahrungsstoífe zuschiefen, wenn der 
Bedarf von aufen nicht gedeckt wird. Aus diesem Grunde wird z. B. ein 
Organismus, der gehungert hat und dessen Vorratsrüume infolgedessen 
mehr oder weniger leer sind, sich ganz anders verhalten als ein solcher, 
der wohl ernährt ist und z. B. viel Fett und Glykogen zur Verfügung 
hat! Wir wissen nie, ob ein eben verabreichter Nahrungsstoff unmittelbar 
Verwendung findet, d. h. ob der Zusammenhang zwischen aufgenommenen 
Nahrungsbestandteilen und festgestellten Ausscheidungen von Stoffwechsel- 
endprodukten ein direkter oder ein indirekter ist. Kurzfristige Versuche 
können uns schon aus diesem Grunde keine befriedigenden Ergebnisse 
über den Bedarf an Nahrungsstoffen geben. Man wird in Zukunft über 
alle derartigen Versuche zur Tagesordnung übergehen müssen. Versuche, 
die nicht auf Monate ausgedehnt sind, haben keine entscheidende Bedeu- 
tung. Seitdem wir wissen, daß bestimmte Nahrungsarten nach Wochen 
und Monaten die schwersten Erscheinungen im Gefolge haben können, 
nachdem sie lange Zeit, scheinbar ohne jede Störung zu verursachen, ver- 
tragen worden sind, müssen wir unsere Anforderungen an Stoffwechsel- 
versuche bedeutend steigern. 
   
  
	        
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