Full text: Die anorganischen Nahrungstoffe. Die Bedeutung des physikalischen Zustandes der Zell- und Gewebsinhaltsstoffe für ihre Funktionen. Die Fermente, ihr Wesen, ihre Wirkung und ihre Bedeutung. Probleme des Gesamtstoff- und -kraftwechsels. Stoff- und Kraftwechsel einzelner Organe und Zellen (2. Teil)

    
   
  
  
  
  
  
   
  
   
   
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
   
  
   
  
  
    
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II. Vorlesung. 
Die Erforschung des Verhaltens von organischen Eisen- 
verbindungen im Darmkanal fórderte das wichtige Resultat 
zutage, daß in diesem aus solchen Eisen abgespalten wird. 
Wenn man z. B. Hàmoglobin oder Hámatin verfüttert, dann findet man 
im Darminhalt Eisen als Salz oder Ion. Fraglich bleibt, ob das gesamte 
Eisen vor der Resorption aus der organischen Dindung herausgelóst wird 
oder nur ein Teil davon. Wir stehen hier vor den gleichen Schwierigkeiten, 
wie bei der Erürterung der Frage nach dem Umfang des Abbaus der zu- 
sammengesetzten organischen Bestandteile der Nahrung im Darmkanal. 
Man findet nàmlich neben abgespaltenem Eisen stets auch wechselnde 
Mengen von gebundenem. Es ist leicht möglich, daß auch dieser Anteil 
noch in Freiheit. gesetzt worden wäre, wenn man die Verdauung im Augen- 
blick der Untersuchung nicht unterbrochen hàtte. Es ist jedoch auch 
möglich, daß organische Eisenverbindungen zur Resorption kommen. 
Das Studium der Verdauung von Fleisch mit den Fermenten 
des Pankreassaftes im Reagenzglas ergab, daf) sich schon nach 
kurzer Zeit in der Verdauungstflüssigkeit freies Eisen nach- 
weisen läßt, während beim Beginn des Versuches die empfind- 
lichsten Eisenreagentien keine Reaktion auf solches erkennen 
lassen.!) Schließlich war der bei weitem größte Teil des vorhandenen 
Eisens in freier Form in der Verdauungsflüssigkeit zugegen. Es sei gleich 
mitgeteilt, daß beim Kalzium genau die gleiche Feststellung gemacht 
werden konnte. Erwähnt sei ferner die Beobachtung, daß das Kasei- 
nogen bei der Verdauung Phosphorsäure abgibt. Ohne Zweifel handelt 
es sich bei der Infreiheitsetzung der Mineralstoffe aus organischen 
Bindungen zum Teil um sekundäre Vorgänge. Kolloide Verbindungen halten 
Salze oder auch Ionen unter anderem durch Adsorption fest. Wird ein 
solches Kolloid abgebaut, dann zerfällt es in zahlreiche kristalloide Ver- 
bindungen. Schon dadurch wird sicher manches Element frei, denn mit 
dem Aufhören der kolloiden Eigenschaften geht auch die Fähigkeit zu 
adsorbieren verloren. In anderen Fällen wird dagegen der anorganische 
Stoff aus einer festeren organischen Bindung herausgelöst. 
Es unterliegt nach allen Beobachtungen keinem Zweifel mehr, daß 
sicher der größte Teil der anorganischen Stoffe die Darmwand in Salz- 
oder Ionenform passiert. Damit soll nicht gesagt sein, daß dies für jedes 
einzelne Element im ganzen Umfange gilt. 
Nachdem nun festgestellt worden ist, daß der tierische 
Organismus organisch-anorganische Verbindungen im allge- 
meinen nicht direkt übernimmt, sondern aus ihnen zunächst 
im Magendarmkanal die Bausteine bildet, kann es wohl keinem 
Zweifel mehr unterliegen, daß in anorganischer Form zuge- 
führtes Eisen in den Geweben zu Synthesen Verwendung finden 
kann. Ja, wir kommen auf Grund aller Feststellungen zu dem Schlusse, 
daß für die Verwendbarkeit von Mineralstoffen innerhalb des 
Zellstoffwechsels eine erste Grundbedingung die ist, daß sie 
aus ihren Bindungen herausgelöst werden können. Jede Verbin- 
dung, in der z. B. das Eisen so fest verankert ist, daß es weder im Darm- 
1) Emil Abderhalden: Zeitschr. f. Biol. 39. 113 (1899). — Emil Abderhalden und 
Rudolf Hanslian: Zeitschr. f. physiol. Chemie. 80. 121 (1912). 
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