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kann man den sogenannten Birkenwein machen, welcher der enthaltenen Zucker-
theile wegen in einer gepfropften Bouteille eine dem Champagner ähnliche Gähs-
rung annimmt. Das aus dem Weinſtock sehr reichlich fließende Waſſer ſoll
heilſame Kräfte haben, und wird vom gemeinen Manne zu Augenwaſſer ge-
braucht.
§. 792.
Obſchon das Abzapfen dieſes Waſſers genugſam bekannt ist: ſo kommen
dabey doch einige Erscheinungen vor, wovon die Ursachen dem Naturkündiger
räthſelhaft bleiben und sehr auffallend sind, von denen ich nur folgende anfühs
ren will. Ein im Frühjahr beſchnittener Weinſtock giebt aus allen Wunden
sehr häufig Waſſer: Dieſes höret ebenfalls, aus bemerkter Ursache, dann zu
fließen auf, wann die Blätter ausbrechen. Ein gleiches müßte geschehen, wenn
im Sommer, da der Weinſtock im ſtärkſten Triebe ſteht, und der vieten Blätter
und Trauben wegen eines noch häufigern Zufluſſes wie im Frühjahr bedarf,
demſelben dieſe Blätter und Früchte plötzlich genommen und die Ranken zum
Theil abgeschnitten werden, man bemerkt aber bey dieſem Verfuche, den ich ſelbſt
verſchiedenemal gemacht habe, das Gegentheil. Aus den im Frühjahr abges
hauenen Birken- und Ahornſstämmen läuft dieſes Waſſer ebenfalls ſehr häufig :
aus den ſpâter im vollen Laube gehauenen Stämmen aber nicht. Desgleichen
fließt aus einem abgehauenen unteren Theile einer ſtärkern Wurzel im Frühs
linge häufiges Waſſer: im Sommer aber kömmt nur eine geringe Feuchtigkeit
Heraus. Bey den hierin zu machenden Versuchen wird man mehrere dergleis
c<en Bemerkungen zu machen Gelegenheit haben. Vermuthlich hat die weiſe
Natur den Gewächſen,. nachdem ſie den Winter über ihre Saugungsgefäße ges
ſtärket hat, im Frühling eine weit ſtärkere Spannkraft gegeben , ihre alsdann
geſchwind nöthige große Menge von Nahrung anzuziehen, welche ſie in der ſpäs
tern Jahrszeit nicht in der Maaße bedürfen. Die erſten Vegetationstriebe ſind
im Frühling sehr ſtark und ſchnell, man ſieht Blätter, Blüthen und neue Jahrs-
triebe aus Knoſpen entſtehen, die vor wenig Tagen noch wintermäßig geschlossen
waren, hierzu gehört eine große Zuſtrömung an Nahrung, welche größtentheils
durch den Stamm zugeführet werden muß. Dahingegen erfordert der Baum
in den übrigen Jahrszeiten, da der Zuwachstrieb weit langſamer geht, verhält-
nißmäßig einen geringern Zufluß an Nahrung ; wodurch ſich obige Erſcheinung
in etwas erklären läßt.
§. 24.