Full text: ... welcher die Forst-Botanik, die Naturkunde der Bäume überhaupt und die Beschreibung der Eiche enthält (Erster Theil)

   
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Wie das Aufſteigen und Fallen des Safts eigentlich in den Bäumen und 
Pflanzen zugehen mag, davon haben die Gelehrten manche ſchône Hypothesen 
gausgeſonnen, die aber zur Erklärung deſſelben auch nicht hinreichen. Man weiß 
nur aus Erfahrung, daß die Kälte, Wärme, Trockenheit und Feuchtigkeit der 
Luft und die Wirkung der Sonne darauf den größten Einfluß haben, und man 
ſchließt daher, daß, da im Frühjahr die Atmoſphäre wärmer, wie der Erdbos 
den iſt, die Saftröhrengefäße dadurch in den obern Theilen des Baums ausge- 
dehnt werden, und aus den alsdann zuſammengezogenen Wurzelgefäßen den 
Saft aufziehen, so, wie dieſe beym eintretenden Winter im umgekehrten Falle 
gewissermaßen das Fallen des Safts verursachen, oder alsdann eigentlich aufhö- 
ren, solchen in großer Maaße anzuziehen. Das Anziehen der obern Saftröhs 
ren kann auf dieſe Art durch die Ausdehnung derselben mit befördert werden, es 
iſt aber gewiß nicht die einzige Veranlaſſung desselben, sonst würden zum Beys- 
ſpiel aus den im Frühjahr abgeschnittenen Stämmen, denen der ganze obere 
Theil von Anziehungswerkzeugen genommen iſt, kein Waſſer laufen. Man 
muß alſo in den Wurzeln ſelbſt eine Triebkraft vermuthen, wie auch die hiers 
über von verſchiedenen Naturkündigern angeſtellten Versuche zu beſtättigen ſcheis 
nen. Z. B. der hierin besonders verdienſtvolle Hales küttete auf eine abgeſchnit- 
tene Weinſtocksranke, eine gläſerne Röhre von Z Zoll im Durchmesser, in die 
er zwei Zoll hoch Waſſer goß, welches von dem Stock, der damals noch nicht zu 
laufen angefangen hatte, eingeſogen wurde; beym Laufen des Waſſers' aber 
ſtieg ſolches in wenigen Tagen in der Röhre, welche er nachdem verlängert hatte, 
über dreyßig Fuß hoch, während welcher Zeit es bey kalten Tagen und Nächten 
einigemal wieder gefallen war. 
Dieſser- ſinnreiche Verſuch beweiset sowohl die Einſauqung, als große 
Triebkraft der Wurzeln, welche ſelbſt die große Kraft des Drucks der Atmo- 
ſphäre übertrifft, als wodurch nur in einer luftleeren Röhre das Waſſer auf ei- 
nige zwanzig Fuß hoch ſteiget. Ob nun diese Kräfte durch die Lehre von Haar- 
röhren. oder dergleichen im Grunde denn doch hier nichts mehr beweiſenden 
Hypotheſen weiter zu erklären ſeyn möchten, iſt für den Forſtmann gleichgültig, 
dem ich ohnedies ſchon für dieſen zu weiten theoretiſchen Seitensprung Entſchuls 
digung machen muß. 
Uebrigens will ich nur noch eine Bemerkung anführen , welche die Hypo- 
theſe, daß die Wurzeln und untern Theile der Bäume eine besondere Kraft ha- 
ben, den angezogenen Saft in die Höhe zu preſſen, noch mehr zu beſtättigen 
ſcheint. 
    
    
    
   
    
    
      
     
    
    
   
   
    
    
	        
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