Daß den Toten von unsern heidnischen Vorfahren Opfer gebracht wurden und daß sich an die-
selben in der Regel eine Opfermahlzeit anschloß, „die der Tote verlangte und an der er selbst teil-
nahm *7?)“ steht wohl unzweifelhaft fest. Über Opferstätten und Opfergebräuche der Stein- und
Bronzezeit, besonders im Lüneburgischen, hat M. M. Lienau ausführlich berichtet; er nimmt in
Übereinstimmung mit Mogk an, daß Opfermahlzeiten stattgefunden haben !7?),
Auch im Norden finden wir diese Sitte; denn die Tierknochen in den Skelettgräbern des „älteren
Eisenalters^ (200—500 n.Chr.) auf Seeland''4) und in den norwegischen Grabstátten der Wikin-
gerzeit (800—1050 n. Chr.) 17%) werden von den nordischen Forschern — sicher mit Recht — als
Mahlzeitsüberreste gedeutet. Ebenso werden die Skelettreste von Wiederkàuern, die in sächsischen
Grabern Englands gefunden sind, zu deuten sein 176),
Aus fränkischem Gebiet der Merowingerzeit beschreibt Lindenschmit!”’) „eigentümliche,
mit Tierknochen, Scherben und Kohlen gefüllte Gruben, welche auf wiederholte Bereitung von Mahl-
zeiten und Opferungen hinweisen“; er betrachtet sie „als Zubereitungsorte der Mahlzeiten, welche
dem Toten dargebracht und auf den Gräbern verspeist werden", eine Sitte, die sich gegen alle Er-
mahnungen und Verbote der Päpste, Bischöfe und Synoden bis ins Mittelalter erhielt.
2, Woher stammen die trichterförmigen Becher?
Trichterfórmige Becher kommen in Dingen zweimal als Drehscheiben- und sehr oft als Hand-
arbeit vor. Vergleichstunde finden sich, wie das folgende Verzeichnis zeigt, im Unterwesergebiet
bis hinauf zum Kreis Syke, ferner im Oste gebiet, sodann in den holländischen Provinzen
Friesland und Groningen. Im Weser- und Ostegebiet kommen sie auffallend häufig
mit Importgut vor, z.T. auch, wie in Dingen, in »Opferbrandgruben“. In manchen Fällen sind
die Gefäße durch Feuereinwirkung gerötet; datierende Beigaben fehlen. Da die beiden auf der Dreh-
scheibe hergestellten Gefäße dem 3. Jahrhundert angehören, wird die rohere Ware, die mit der
Hand hergestellt ist, hauptsächlich für die Zeit um 300 anzusetzen sein, aber mit ihren späteren
Formen, die eine weniger stark hervortretende Schulter zeigen, auch noch vereinzelt ins 4. Jahrhundert
hineinreichen, da ein solches Exemplar in Wester-Wanna als Deckel einer engmündigen Urne
dieses Jahrhunderts gefunden ist.
Vergleichsfunde,
Hemmoor, Kr.Neuhaus a.O. 1 Exemplar mit gerundeter Schulter, 10 cm hoch, mattrot. Dieser
Fund ist insofern sehr beachtenswert, als der Import der Hemmoorer Bronzeeimer denselben Weg genom-
men haben dürfte wie derjenige der Keramik 178).
Bützileth, Kr. Kehdingen. 1 Exemplar, gefunden auf der Sommerschen Hofstelle, 6 FuB tief, mit
ca. 390 Ton- und Glasperlen, 16 Bernsteinperlen und 2 Bronzeringen; dunkelschwarz, glänzend, 6,5 cm
hoch, reich verziert; spätere Form 179).
Wester-Wanna, Kr. Hadeln. 3 Exemplare. a) Fragment mit gerundeter Schulter 18°). — b) Spätere
Form, hellgraubräunlich; Außenseite im Feuer stark gerötet, mit zerstörtem Glätteüberzug; ohne calc. Kno-
chen beigesetzt181). — c) Spätere Form, als Deckel für eine engmündige Urne des 4. Jahrh. benutzt 182), —
1?) Mogk, E., in Paul, GrundriB d. germ. Philologie III, S. 384.
17) Mannus V, H. 3, 1913, S. 219,
7^) z. B. bei Varpelew in der berühmten Schale von blauem Olas mit Silbereinfassung u. griechischer
Inschriit: Rippen eines Tieres; in einer andern Glasschale: Fischknochen; in 8 andern Grübern: Tierknochen ver-
schiedener Art, Ferner bei Vaengegaard in Frederiksborg Amt: Knochen vom Schwein. (C. Engel-
hardt, Aarb. 1877, S. 354, 356, 358, 350, 364, 372, 376, 380, 384, 385).
175) Sehr oit Knochen vom Pferd, von Rindvieh u. ,smaat Kvaeg“ = Kleinvieh (nach Aarsberet. 1873, S. 141:
Schaf oder Ziege); in manchen Gräbern „blot enkelt Del af et Dyr“. (O. Rygh, Aarb. 1877, S. 168—171.
79 Akermann, Remains of Pagan Saxondom. 1855. S. XOII.
17) Handb. d. d. Altertumsk. I, 1880—1889, S. 130, 131.
8) Willers, Bronzeeimer v. Hemmoor, 1901, S. 25, 86, Abb. 17; vgl. auch S. 202; Müller-Rei-
mers, Altertiimer, 1893, S. 189, Taf. XIII, Fig. 97.
19) Mus. Stade Kat. Nr. 976.
180) Morgenstern-Museum 1913:828.
181) Morgenstern-Museum Kat. Nr. 859, A. Plettke, Urnenfriedhôfe III, 1921, Taf. XXVII, Fig. 6.
:*) Mus. Hamburg 1907: 115; A. Plettke, a.a. O, Taf. XXVII, Fig. 8.
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