Full text: Der Urnenfriedhof Dingen, Kr. Wesermünde

  
  
  
  
  
   
  
  
Dingen, Kr. Wesermünde. 
Ausgrabung 1896. 
Von A. Götze. 
Die Ausgrabung, die ich am 6. und 7. November 1896 für das Museum für Völkerkunde zu 
Berlin vornahm, schloß sich räumlich an diejenige des Dr. Bohls an (vgl. den Plan, S. 65) Es 
wurden fünf Gruben ausgehoben. Grube A, in der Südwestecke des Grundstücks, wurde als T-förmiger 
Suchgraben von insgesamt 13 m Lànge angelegt. Er lieferte keine Funde, aber in 0,50 m Tiefe wurde 
eine durchgehende dünne unberührte Moorschicht beobachtet, die auf dem gewachsenen Schlickboden 
auilag. Die Stelle machte sich in dem ebenen Gelànde als schwache Anschwellung bemerkbar. Grube B, 
4,50 X 4,00 m groB, enthielt die Gráber Nr. 1—9. In Grube C, 4,50 x 5,50 m, befanden sich die Grà- 
ber Nr. 10—22. In Grube D, 7,30 X 1,10 m, lag Grab 23 am Rand einer ausgedehnten Kohleschicht, 
die sich in die Bohls'sche Ausgrabung hinein erstreckte und an deren Grenze eine Breite von 5,50m 
hatte. In Grube E, 3 X 2,50 m groß, lag in 0,50 m Tiefe eine durchgehende dunkle Schicht; Funde 
waren nicht vorhanden. 
Insgesamt wurden 22 Gräber aufgedeckt, Den Umfang und die Begrenzung des Friedhofes 
lassen die bisherigen Ausgrabungen noch nicht erkennen. Nach Südwest und West reichte er jeden- 
falls nicht bis zu den Gruben A und E. Die Grenze nach West würde man kennen, wenn ein Plan 
der von Bohls ausgegrabenen Gräber vorhanden wäre; sie liegt zwischen den Gruben B und D einer- 
seits und E andrerseits. Nach allen andern Richtungen hin können noch Gräber liegen, wahrscheinlich 
ist es aber nicht, daß der Friedhof eine größere Ausdehnung gehabt hat. Er wird sich wohl auf die 
geringe Bodenschwellung beschränken, die durch Bohls und mich in der Hauptsache untersucht ist. 
Die Gräber sind durchschnittlich 0,40—0,50 m tief in den Marschboden eingesenkt. Ein tieferes 
Eingraben verbietet die Nässe des Bodens, die schon bei dieser geringen Tiefe das Sickerwasser in die 
Ausschachtung dringen läßt. Eine regelmäßige Anordnung der Gräber ist nicht durchgeführt, aber 
stellenweise sind gerade Reihen und Abstände von knapp einem Meter eingehalten worden. Leichen- 
brand bildet in unserm Friedhof die Regel. Die Beigaben weisen häufig die Spuren starker Hitze- 
wirkung auf, haben also mit der Leiche auf dem Scheiterhaufen gelegen. Die Brandknochen wurden 
meist in einer Tonurne geborgen, es kommen aber auch — scheinbar — freiliegende Knochennester 
vor. Um zu einer klaren und sicheren Anschauung über den Grabritus — nicht nur des Dingener 
Friedhofs sondern überhaupt — zu gelangen, sind zweierlei Dinge zu beachten, die manchmal über- 
sehen werden. Bei oberflächlicher Betrachtung könnte man sich nämlich verführen lassen, die Gräber 
Nr.5, 6, 9 und 19 fiir gestörte Urnengräber aus dem Grunde zu halten, weil sie die Überreste von 
Tongefäßen enthielten. Nun tragen diese aber durchgängig Feuerspuren, haben also den Verbren- 
nungsvorgang mitgemacht und können daher nicht als Behälter für den Rückstand des Leichen- 
brandes gedient haben. In den genannten Gräbern sind also tatsächlich keine Urnen greifbar. In 
solchen Fällen pflegt man anzunehmen, daß die Brandknochen einfach in die Grube geschüttet wurden. 
Das trifft zweifellos in den ostgermanischen Brandschüttungs- und Brandgrubengräbern zu, wo es auf 
Grund gewisser religiöser Anschauungen allgemeiner Brauch war. Wenn jedoch in andern Friedhöfen 
Urnengräber und urnenlose Gräber nebeneinander vorkommen, wie es in Dingen der Fall ist, dann 
müßte man annehmen, daß in einer Gemeinde zwei verschiedene Grabriten bestanden. Das ist aber 
so unwahrscheinlich, daß man nach einer andern Deutung des Befundes suchen muß. Und diese ist 
gar nicht schwer zu finden, sobald man sich von der Vorstellung frei macht, daß eine Urne immer 
aus Ton oder Metall bestehen müsse. Ein Behälter aus vergänglichem Stoff, etwa Holz, wird letzten 
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