Full text: Lehrbuch der physiologischen Chemie

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Zu diesen Formeln sei bemerkt, daß alle drei angeführten Sexualhormone 
künstlich aus Cholesterin bereitet worden sind!?. Dessen Seitenkette ist dabei ab- 
gespalten worden. Damit war ihre Struktur in Verbindung mit anderweitigen 
Feststellungen eindeutig festgelegt. 
Vorlesung 7. 
Sexualhormone (Fortsetzung): Follikelhormone (Oestrongruppe), Corpus luteum- 
hormon (Progesteron). EinfluB dieser Hormone und des Prolaktins auf die Milch- 
bildung. Hormone der Nebennierenrinde. Vitamin D-Gruppe. Uberblick über die 
Bedeutung der Lipoide. 
Eine dem Testosteron analoge Funktion haben beim weiblichen Organismus die 
Follikelhormone. Sie finden sich nicht nur im Ovarium, vielmehr sind 
sie auch im Blut und in der Plazenta aufgefunden worden. Besonders über- 
raschend ist der Befund von solchen im Hoden und im Harn von männlichen 
Individuen! Aus dieser Beobachtung und der Feststellung, daß sogenannte männ- 
liche Sexualstoffe auch im weiblichen Organismus vorkommen, geht hervor, daß 
die Einteilung der Keimdrüsenhormone in weibliche und männliche an sich nicht 
gerechtfertigt ist. Es ist nur die Menge der Sexualhormonarten bei beiden. Ge- 
schlechtern eine verschiedene. Die „männlichen“ und die „weiblichen‘ Sexual- 
hormone sind wechselseitig bei beiden Geschlechtern wirksam. So bewirkt Follikel- 
hormon bei kastrierten männlichen Tieren u. a. Wachstum der Samenblasen, Ver- 
dickung des Bindegewebes und der glatten Muskulatur in der Samenblase und im 
Ductus deferens. Testosteron führt bei jugendlichen weiblichen Tieren zur Masku- 
linisierung der äußeren Genitalien. Die Klitoris wächst z. B. stark. Ferner wird 
die Entwicklung der Sexualdrüsen gefördert. Bei kastrierten Tieren erfolgt Wachs- 
tum der atrophischen Organe (Vagina, Klitoris, Uterus). Mittels Zufuhr von 
Testosteron läßt sich bei Hennen das Wachstum des Kammes und der Bartlappen 
steigern. Von ganz besonderem Interesse ist, daß die Sexualhormone auch tief- 
gehende psychische Umstellungen bewirken. So lassen sich kastrierte Männchen 
durch Transplantation von Ovarien so beeinflussen, daß sie sich psychisch wie 
Weibchen verhalten (so betreuen z. B. „feminisierte‘“ Männchen junge Tiere, um 
die sie sich sonst nicht kümmern). 
Es gibt verschiedene nah verwandte Verbindungen mit qualitativ gleicher 
Wirkung. Es seien angeführt das Oestron, auch Follikelhormon genannt, das 
Oestriol (Follikelhormonhydrat) und das Oestradiol (Dihydrofollikel- 
hormon)!. Es scheint, daß das letztere das eigentliche Follikelhormon ist und 
19 Was die vom tierischen Organismus unabhängige Gewinnung von Hormonen bedeutet, 
sei am Beispiel der Sexualhormone aufgezeigt. Um 1kg Oestradiol zu gewinnen, sind 
15—20 Milliarden Schweine und für die gleiche Menge Progesteron 10—13 Millionen er- 
forderlich. 12 Millionen Stiere liefern etwa 1kg Testosteron! 
1 Oestradiol wird auch in der Plazenta gebildet. — Von großem Interesse ist die Beob- 
achtung, dal} zwischen Cholinesterase der Leber und Oestradiol eine 
Beziehung besteht. Bei Männchen, juvenilen und kastrierten Weibchen ist der Gehalt an 
Lebercholinesterase niedrig, in der Schwangerschaft dagegen hoch. Injektion von Oestradiol 
erhöht ihn bei kastrierten Männchen und Weibchen. Es dürfte dieser Befund in Zusammen- 
hang mit einer an sich gesteigerten Tätigkeit der Leber im Zustand der Schwangerschaft 
stehen. Auch beim Menschen ist eine Abhängigkeit des Gehaltes an Cholinesterase von 
der Funktion des Geschlechtsapparates, und zwar im Blutplasma, festgestellt (Abnahme 
von der Pubertät an bis zum Klimakterium). 
   
   
     
  
   
     
    
   
  
  
   
    
   
   
   
   
   
  
   
   
  
  
  
  
   
   
    
    
   
    
   
  
  
    
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