Full text: Vorlesungen über Wirkung und Anwendung der deutschen Arzneipflanzen

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verschiedenen Kórperstellen wurden bemerkt. Dann wieder entwickelte sich 
eine eigenartige, subjektive Temperatursteigerung von kontinuierlichem Typus 
mit abendlicher Verschlimmerung. In anderen Füllen traten Fieberparoxysmen 
auf, die an eine Febris intermittens larvata erinnerten. Auch kam es zu Frost- 
schauern und anhaltendem Frostgefühl am Rumpf und an den Extremitáten, 
bei gleichzeitiger Hitze und Róte des Gesichtes. Die Haut des Kopfes und der 
Hánde schwitzte leicht, doch traten auch allgemeine Scehweifausbrüche auf. 
Wáhrend des Frost- und Hitzestadiums bestand heftiger, kaum stillbarer Durst. 
Die Atmungsorgane zeigten durchweg katarrhalische Veränderungen. 
Schnupfen mit Nasenbluten, Heiserkeit, Kitzelgefühl im Kehlkopf und in der 
Luftrôhre, Hustenanfälle, unter Umständen bis zum Erstickungsgefühl sich 
steigenrd, wurden beobachtet. 
Die Schleimhaut der Mundhôhle und der Zunge konnte entzündlich ver- 
ändert sein unter gleichzeitigem AufschieBen kleiner, brennender Bläschen. 
Die Zähne wurden schmerzhaft, die Salivation vermehrt. Schlingbeschwerden, 
abnorme, unangenehme Geschmacksempfindungen, sowie das Gefühl von 
Nausea und Ekel gesellten sich hinzu. 
Die Bauchdecken wurden durch starke Gasentwicklung im Darm aufge- 
trieben. Sehneidende und krampfhafte Leibschmerzen stellten sich ein. Es 
konnte zum Erbrechen des Mageninhaltes kommen, in einzelnen Füllen wurde 
nur saure Flüssigkeit und Galle entleert. Die Stühle wurden hell, diarrhoisch 
und unter Leibschneiden entleert.” In anderen Fällen waren sie stark schleimig 
und erfolgten schmerzlos, erschienen manchmal auch ganz gallenarm. Nach 
der Entleerung blieben für einige Zeit schmerzhafte Empfindungen im Rektum 
zurück. 
Auf dem Sexualgebiete kam es bei männlichen Individuen zu gesteigerter 
Libido, beim weiblichen Geschlechte zum Auftreten wehenartiger Schmerzen, 
sowie von Schmerzempfindungen in der Kreuzbeingegend. Die Menses wurden 
übermäßig stark, es entwickelte sich Fluor albus mit dünnem, átzendem Sekret. 
Wie ich schon sagte, ist heute die Kamille sozusagen fast ganz zum Haus- 
mittel herabgesunken. Es gibt Personen, die gegen Kamillentee, namentlich 
etwas größere Mengen desselben, sehr empfindlich sind und danach Übelkeit 
und Erbrechen bekommen. In der Kinderstube, wie auch bei vielen Erwach- 
senen, ist die Kamille bei gelegentlichem Auftreten von Leibschmerzen, zumal 
nach Erkältungen, nach den Erfahrungen der älteren Ärzte, sowie derjenigen, 
die sie noch anwenden lassen, ein sehr brauchbares Mittel. Vor der allgemeinen 
Anwendung des Chinins war die Kamille ein beliebtes und viel herangezogenes 
Mittel zur Bekämpfung der Intermittens. Friedrich Hoffmann berichtet 
von Fällen, wo er bei Malaria die Kamille da gab, wo das Chinin versagte, und 
Hufeland wandte sie zum gleichen Zwecke an. Wenn auch die dabei gehegte 
Erwartung, in der Kamille ein, für alle Fälle bei der Intermittens brauchbares, 
Mittel an der Hand zu haben, sich nicht bestätigt hat, so ist es doch bemerkens- 
wert und interessant, daß wir aus der älteren medizinischen Praxis Angaben 
besitzen, die dartun, daß auch bei anderen, intermittierend auftretenden, Krank- 
heitserscheinungen wiederholt und mit Erfolg die Kamille gegeben worden ist. 
Auch bei der Behandlung rheumatischer Neuralgien der Gesichtsnerven, sowie 
von Zahnschmerzen, die derselben Ursache entstammten, hat sich die Kamille 
als brauchbar erwiesen. 
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