Mu My uir
„Wo kommen die denn her?“ fragte ich neugierig,
ohne zu wissen, welche Folgen diese Neugier nach
sich ziehen würde.
„Die Mutter dieser beiden ist längst gestorben, und
vor kurzem haben sie auch den Vater verloren. Dem
ging’s mal ausserordentlich gut, hatte eine Fabrik
und konnte es sich und den Seinen wohl sein lassen.
Dann verlor er alles, wie das so manchmal zugeht.“
„Und jetzt wollen Sie auch diese beiden Kinder
bei sich behalten?“
Er schüttelte den Kopf.
„Nein, das geht beim besten Willen nicht. Ich habe
ja schon zwei angenommen, und vier fremde Kinder
im Haus würden mir doch zuviel.*
»Und nun?*
„Ich werde sie in Gottes Namen ins Waisenhaus
geben müssen", antwortete der gute Mensch etwas
bedrückt.
Ich versank in tiefe Gedanken, und plötzlich, wie
aus einer Eingebung heraus, sagte ich: , Wissen Sie
was, Herr l'ikentscher .. . die beiden würen eigentlich
etwas für mich. Wir haben keine Kinder, sind aber
sehr kinderlieb und hätten genau wie Sie auch gern
etwas junges Leben in unserem Haus. Wie alt sind
die Kleinen?*
Franz Fikentscher sah mich erst sprachlos an, dann
griff er, als der aufrichtige Mann, wie ich ihn seit
Jahren kannte und schátzte, nicht sogleich zu, son-
dern sagte bedächtig: ,Es ist ein Junge und ein
Mädchen, sie sind schon acht und neun Jahre alt,
lieber Horch, und da sitzt der Haken für Sie und
Ihre liebe Frau. In diesem Alter haben Kinder schon
gewiseermassen einen eigenen Charakter und sind
schwerer nach Ihren Wünschen zu formen, als wenn
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