Bücher und Bibliotheken spielen in den einzelnen Wissenschaften
eine verschiedene Rolle. Für die Geschichtswissenschaft ist das Buch
die Grundlage und Voraussetzung ihres Wesens und ihrer Entwicklung
und zugleich das hauptsächlichste Werkzeug. Dem Mathematiker sind
die Erkenntnisse, die frühere Forscher in Büchern und Abhandlungen
niedergelegt haben, nicht minder wichtig als die schriftliche und münd-
liche Erörterung neuer mathematischer Gedanken. Die Naturwissenschaft
beschäftigt sich in erster Linie mit der Natur, kann aber das Buch als
Forschungsquelle nicht entbehren. Der Techniker nimmt dem Buche
gegenüber eine andere Stellung ein. Über die Fortschritte seines Arbeits-
gebiets pflegt er sich aus den einschlàágigen Zeitschriften zu unterrichten.
Daneben braucht er, wenn er praktisch tátig ist, vor allem Nachschlage-
werke mit den wichtigsten Formeln, Tabellen und Bestimmungen. Bei
wissenschaftlichen Arbeiten aber ist auch er genótigt, Bücher in gróferem
Umfange heranzuziehen. Mit Versuchen und Beobachten, mit Wägen
und Messen, mıt Prüfen und Denken allein kann er neue Probleme nur
selten lösen. Er muß wissen und verarbeiten, was vor ihm fester Besitz
seiner Wissenschaft geworden ist, und was jeder Tag an neuen Ergeb-
nissen bringt !). Dazu ist ihm eine Bibliothek, die sein Forschungsgebiet
pflegt, unentbehrlich. Ebensowenig kann der Studierende der technischen
Wissenschaften des Buches entraten. Gewifh sind für ihn die Vortráge
der Professoren und die Übungen in den Zeichensálen und Laboratorien
wichtiger als das Studium von Büchern. Aber ohne Bücher, diese stummen
und doch so beredten Lehrer, vermag er sein Studium nicht zu einem
glücklichen Ende zu führen. Er benótigt sie, um das durch Vorlesungen
und Übungen ihm übermittelte Wissen zu ergänzen und zu vertiefen,
und nicht nur die besonders empfohlenen Lehrbücher, die er natürlich
selbst besitzen muß, sondern, je mehr er in ein Gebiet eindringt, auch
zahlreiche andere Bücher und Schriften. An den Technischen Hoch-
schulen, den Lehr- und Forschungsstätten der Technik, sind daher reich
ausgestattete und gut geleitete Bibliotheken ein dringendes Bedürfnis.
1) H. Simon, Die Technik und die Büchereien. In: Technik u. Wirtschaft. 8
(1915) S. 375—358.