88 B. Bretholz: Lateinische Paläographie.
Verlängerung der Schrift in der ersten Zeile und in der Unterschrift blieb gewahrt, auch
die Verlängerung der Oberschäfte, die Erhôhung von c und e durch Aufsätze, die An-
wendung des offenen a, der Auslauf des p-Bauches in eine Oberlànge wie bei d, I, h und
anderen Buchstaben mit Oberlàngen, die Beibehaltung mancher Ligaturen (c-£ und e-t)
verleihen dieser Minuskel einen eigenen Typus. Man nennt diese Schrift, die seit Lud-
wig d. D. in der kaiserlichen Kanzlei angewandt wurde und auf den Einfluß Hebarhards
zurückgeführt wird, die diplomatische Minuskel ; sie herrscht fortan das ganze 10. Jahr-
hundert hindurch, um dann erst durch die gewöhnliche Buchminuskel ersetzt zu werden.)
8 5. Die Buchausschmiickung in karolingischer Zeit.
Neben der kalligraphischen Ausbildung der Schrift ist es die Buchmalerei, die in
karolingischer Zeit einen Aufschwung nimmt und eine Bedeutung gewinnt, daB eine
Reihe von Schriftwerken jener Periode für immerwührende Zeiten zu den kostbarsten
Schätzen künstlerischer Buchausschmückung gehören. Die Benutzung von Purpur-
pergament, Gold- und Silbertinte für Prachthandschriften war schon in den römischen
Skriptorien gebräuchlich und wurde von den karolingischen Schreibern nachgeahmt;
hierin war eine Steigerung kaum möglich. Anders verhielt es sich mit der Miniatur und
vor allem mit der Initialornamentik. Wir wissen, daß für die Werke des 4. bis 7. Jahr-
hunderts das Fehlen beziehungsweise sehr bescheidene Hervortreten von Zierbuch-
staben ein charakteristisches Merkmal darstellt. Die ältesten Beispiele von Schriftver-
zierung durch Malerei und Zeichnung, aber nicht in dem Sinne der nur als Illustration
des Inhalts dienenden Bilder, sondern als organische Ergänzung des Schriftbildes selbst,
bieten uns die irisch-angelsächsischen Schriftwerke dar; es mag dies leicht eine nationale,
bei einheimischen Schriftwerken seit jeher angewandte Eigentümlichkeit gewesen sein.
Sie bot — bekannt aus den irischen Handschriften, die in allen Schreibschulen des Kon-
tinents verbreitet waren, — den Kalligraphen der Karolingerzeit ein willkommenes
Mittel, die Pracht ihrer handschriftlichen Leistungen zu erhóhen und ein überaus ent-
wicklungsfähiges Element in das Schriftwesen einzuführen.
Aber die irisch-angelsáchsische Ornamentik war nicht die einzige Quelle, aus
der man im Frankenreiche schôpfte. JANITSCHEK hat uns die mannigfachen Einflüsse
gleichsam analysiert, die in der karolingischen Buchmalerei nachwirken.? Zu dem
uralten Besitzstand an linearen und Bandformen, an heimischen Tiergestalten und
phantastischen Vorstellungen aus der Sage und Mythe, wie sie jedem N aturvolk, wenn
auch nicht in Anwendung auf Schriftwerke, eigen sind, kamen neue Muster von Tier-
bildern und Phantasiegestalten aus dem orientalischen Formenschatz hinzu, die den
Germanen frühzeitig durch die weitgewanderten Goten vermittelt wurden. Die Berüh-
rung mit dem klassischen Boden, mit der Kunst der Sarkophage und Mosaiken, brachte
neue Motive, vor allem das bei den Rómern so reich ausgebildete Pflanzenornament.
Die christliche Kunst des Orients, hauptsächlich Syriens, lehrte das architektonische
Moment, den Nischenbogen, für die dekorative Buchausschmückung verwerten. Und
aus diesen verschiedenartigen Elementen gestaltete die ebenso Schaffensfreudige als
reformfähige Zeit Karls d. Gr. eine neue, überaus glanzvolle, farben- und formenreiche
Kunst der Buchillustration, die in den folgenden Jahrhunderten rege ausgebildet wurde.
1) Die Schrift Hebarhards s. KU. in Abb. VIL, 10 (v.J. 870). — Vgl. auch SrErFENS T. 50—59
(v. J. 856), 53 — 64 (v. J. 882) gleich KU. in Abb. VIL 15, 40b —53e (v. J. 828, St. Galler
Privaturkunde in Karolingischer Minuskel); Arnpr-Taner III, 78 (v. J. 973) mit zusammen-
fassenden Erläuterungen über die Entwicklung der Urkundenschrift.
2) Vgl. die „Trierer Adahandschrift“ S. 63ff.; daneben Lrrrscaum, Geschichte der karo-
lingischen Malerei (1894), T. J. TrkKANEN ,Die Psalterillustration im Mittelalter" und die all-
gemeine Übersicht bei LaAwPRECHT, Deutsche Geschichte, Bd. 2?, S. 73.
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