Full text: Lateinische Paläographie (Band 1, Abtlg. 1)

      
   
  
  
   
   
  
    
      
    
    
   
    
     
  
    
   
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B. Bretholz: Lateinische Paläographie, 
anderes Werk desselben Mohamed übersetzt hat) etwa 1120 herrühren!); sie vermittelte 
Ziffern und Rechenkunst, wie sie die Araber von den Indern übernommen hatten, 
schon im 12. Jahrhundert dem Abendlande. Nach dem Namen des in diesem System 
wichtigsten Zahlzeichens, der 0, arabisch as-sifr (d. h. das Leere), daraus zifra, ciffra, 
erhielten später alle Zeichen die Benennung Ziffern.) Das ülteste bisher bekannt ge- 
wordene Beispiel handschriftlichen Vorkommens arabischer Ziffern in Europa liegt vor 
in dem Salzburger Computus — einer Berechnung des kirchlichen Kalenders — vom 
Jahre 1143 in dem Kodex Nr. 275 der Wiener Hofbibliothek.3) Diesem folgen zwei 
Hss. der Münchner Staatsbibliothek, Clm. 14 733: die Regensburger Annalen 1174—1197 
(1201) und Clm. 13 021: eine Sammelhs. aus Kloster Prüfening 2. Hälfte saec. XII.4) 
Diese und einige andere Beispiele bezeugen die Kenntnis der arabischen Ziffern- 
schrift im 12. Jahrhundert an verschiedenen Orten, allein sie war doch beschränkt 
auf die gelehrte Literatur. In allgemeineren Gebrauch tritt sie erst im 15. Jahr- 
hundert, °); vereinzelte Beispiele treten doch auch schon am Ende des 13. Jahr- 
hunderts auf®); auf Grabdenkmälern, in Haus- und Steininschriften und in ähnlicher 
Weise sind arabische Ziffern aus dem 14. Jahrhundert mehrfach bezeugt. Die Ein- 
führung ins praktische Leben hingt zusammen mit der auf Leonardi Fibonacci, den 
Verfasser eines Liber Abaci vom Jahre 1202, zurückgehenden italienischen Rechen- 
methode.”) 
Die heutige Form der Ziffern hat sich gleichfalls erst im 15. Jahrhundert fest 
eingebiirgert; denn vorziiglich 2, 3, 4, 5 und 7 variieren in den verschiedenen Zeiten 
und Gegenden mehr oder weniger stark in ihrer Gestalt.?) 
3 4. Wort- und Satztrennung. Interpunktionen und andere Zeichen. 
Die heute allgemein durchgeführte distinkte Schreibung der Worte, so zwar, 
daß jedes selbständig dasteht und sich von dem benachbarten deutlich abhebt, hat 
sich nur sehr langsam ausgebildet, und das wenn auch in den verschiedenen Kultur- 
sprachen ungleich angewandte, aber doch mit denselben Zeichen operierende moderne 
Interpunktionssystem hat trotz wiederholter Versuche Ordnung herzustellen bis an 
das Ende der mittelalterlichen Zeit stark variiert. 
Das ,interpungere" bedeutet ursprünglich nur die Anbringung eines oder mehrerer 
Punkte zwischen den einzelnen Worten oder Wortgruppen ohne Rücksicht auf die 
Satztrennung. In dieser Form finden wir Interpunktion auf den Inschriften, aber auch 
1) Die lateinische Schrift ist herausgegeben als Heft I der von dem Fürsten BALD. BON- 
CAMPAGNT herausgegebenen ,Trattati d’aritmetica®. Die frühere Annahme, daß die Ubersetzung 
von Johannes von Sevilla (Johannes de Luna) herriihre, lehnt CANTOR a. a. O. S. 800 ab. 
2) Eine ganz andere, den arabisch-indischen Einfluf zum mindesten stark herabsetzende 
Ansicht vertritt N. M. BUBNov in einer russisch geschriebenen Arbeit „Ursprung und Geschichte 
unserer Ziffern. Paläographischer Versuch“, Kiew, 1907, die im Jahrbuch über die Fortschritte der 
Mathematik Bd. XXXIX (1908), S. 53 angezeigt ist. B. meint, daB unsere modernen europäischen 
Ziffern keinen Zusammenhang mit Indien haben; sie seien vielmehr die in den Jahrhunderten XII 
bis XVI durch Schnellschrift umgeformten Ziffern der Abakisten, denen sie gewiB nicht aus Indien 
bekannt wurden. 
3) S. die Reproduktion in Mon. graph. VIII, 16 und ein anderes Blatt bei Nagar. 
4) Von den Regensburger Annalen s. ein Blatt mit Ziffern bei AnxpT-TAwar, T. 23b; über 
die Altersbestimmung des zweiten Stückes vgl. die Notizen in der Beil. der Münch. Allg. Ztg. 1908, 
Nr. 262, 264, 268, 272, 
5) Vgl. STEFFENS T. 87a (110b) vom J.1404; 82c (105a) v. J. 1411 u. a. 
6) STEFFENS T. 39 Supp!. (98) bringt Beispiele arabischer Ziffern aus einer Brüssler 
Handschrift des Thomas von Aquino vom J. 1286. 
7) S. Nager a. a. O. S. 149. 
8) Neben den angeführten Faksimiles vgl. die reichen Beispiele in WAvrENBACHS Anleitung 
S. 102. 
   
   
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