6 B. Bretholz: Lateinische Paläographie.
daB der speziellen Ausbildung der Schrift in England, bzw. Schottland und Irland
besonderes Augenmerk gewidmet erscheint, ist selbstverstándlich.
In französischer Sprache sind. mehrere solche Handbücher allgemeiner bekannt.
Außer den schon erwähnten älteren von WAILLY und CHASSANT nennen wir das in
seiner neuesten, erweiterten und verbesserten Auflage von einem kleinen selbständigen
Album mit 55 Schriftproben auf 24 Blättern begleitete Buch von MAURICE Prou
,Manuel de paléographie latine et francaise“ (3° edit. Paris 1910), ferner REUSENS
, Éléments de paléographie“ (Louvain 1899) mit lehrreichem Tafelmaterial für das
spätere Mittelalter.!) In bôhmischer Sprache ist von G. FRIEDRICH ein „Lehrbuch
der Paläographie“ (Uéëebnà kniha palaeografie latinské) in Prag 1898 erschienen.
Die Literatur zur Paläographie verfolgt man am sichersten in den fortlaufenden
Referaten W. WEINBERGERS in BURSIANS ,Jahresbericht über die Fortschritte der
klassischen Altertumswissenschaft" (seit 1898) und G. GUNDERMANNS im ,Romanischen
Jahresbericht“ (seit 1895). Daneben sind zu berücksichtigen die regelmäBig erscheinenden
Bibliographien in der ,Histor. Vierteljahrschrift" sub voce Paläographie, in den
„Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken“ (von SCHELL-
HAAS) und in der , Bibliothèque de l’école des chartes“, während literarische Anzeigen
paläographischer Neuerscheinungen vorzüglich auch im „Neuen Archiv“ und in den
„Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung“ zu finden sind.
In den „Jahresberichten der Geschichtswissenschaft“ bricht der Literaturbericht über
die Paläographie, den bis dahin W. WATTENBACH musterhaft geführt hatte, mit dem
Jahre 1896 ab.?)
Erster Hauptabschnitt: Schriftwesen.
Erstes Kapitel: Sehreibstoffe.
Das Kapitel über die Schreibstoffe beginnen die älteren paläographischen Darstellungen
gewöhnlich mit dem Ausdruck der Verwunderung über die Mannigfaltigkeit und. Verschiedenheit
der Materien, die zum Beschreiben jemals bei den Völkern gebraucht worden sind®); es ist daher
begreiflich, daß in der Zeit der Anwendung der naturwissenschaftlichen Systematik auf die Paläo-
graphie die Schreibstoffe, um ihre Fülle zu übersehen, nach den drei Naturreichen geschieden wurden:
Schreibstoffe aus dem Mineral-, Pflanzen- und Tierreich.‘) Aber bekanntlich haben von den ver-
schiedenen Beschreibstoffen nicht alle den gleichen Wert für das Schriftwesen. Bezüglich mehrerer,
wie Stein, Erz, edle und unedle Metalle, Glas und Elfenbein, genügt die Bemerkung, daß sie stets
bekannt waren und für ganz bestimmte Fälle zum Beschreiben verwendet wurden,^) und daß Stein
und Erz für monumentale Zwecke und öffentliche Verlautbarungen in römischer Zeit sogar eine
ausgedehnte Benutzung erfuhren. Es sind dies natürliche Stoffe, die für dieAufnahme der Schrift
keiner besonderen. Bearbeitung bedurften; doch waren sie der privaten und allgemeinen Benutzung
kaum zugänglich, da sich der Zusammenfügung gleichartiger Stücke, sowie der Handlichkeit unüber-
1) Vgl. über dieses letztere NA. XXIV, 785 und M. TANGL in MIÓG. XX, 661. — Als eine
gute Einführung in die palàographische Disziplin wird von WaATTENBACH bezeichnet: LECOY Dk
LA MARCHE, Les manuscrits et la miniature (Paris 1884) und desselben Verfassers L'art d'écrire
et les calligraphes in RQH. 1884; vgl. JBG. VII (1884), IT, 355.
2) Vgl. auch die kurze Zusammenstellung über englische und franzôsische allgemeine
Literatur zur Paläographie bei Prov, p. 2 Anm. 1.
3) MABILLON S. 31: Mirum vero est, quam varia ac multiplex apud antiquos fuerit materia,
in qua olim excepta scriptura est.
4) Vgl. GATTERER S. 6.
5) -Die Behauptung von J. v. Prruak-HazrruxG, daf Originale pápstlicher Urkunden auch
auf Marmor- und Bleiplatten ausgestellt worden seien, von welch ersteren sich vier, die älteste von
604, noch erhalten hätten, widerlegt L. SCHMITZ-KALLENBERG, Papsturkunden auf Marmor und
Metall? in HJ. XXVI (1905), 588. — Uber die Benützung von Stein und Erz für Kaiser-
urkunden (Diplome) vgl. W. EgBEN, Urkundenlehre (im Handbuch für m. a. und n. Gesch., hrg.
v. G. v. Bztow u. F. Mxrwzcxkz) S. 121, der feststellt, daß es sich bei den bisher bekannten
Fällen entweder um Fälschung oder um eine besondere Art von Abschriften in der feierlichen
Form von Inskriptionen handle.
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