18 B. Bretholz: Lateinische Paläographie.
Der Gebrauch von Papier an Stelle des Pergaments hatte aber schon in der
zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts in den öffentlichen und privaten Kanzleien über-
hand genommen und galt im 15. Jahrhundert als vorherrschend. Unter Karl IV. scheint
zuerst in der kaiserlichen Kanzlei Papier in ausgiebigerem Maße für die nicht solennen
Urkunden gebraucht worden zu sein!), und dieses Muster wurde dann maßgebend für die
übrigen Skriptoreien, wie denn auch das Aufblühen der Schreibtätigkeit in dieser Zeit der
Ausbreitung des leicht und billig zu beschaffenden Materials?) ungemein förderlich war.
Die Grundformen der Papiererzeugung, wie sie das ganze Mittelalter hindurch und noch
in neuer Zeit geübt wurde, bis sie durch die maschinellen Errungenschaften einen ganz anderen
Charakter gewonnen hat, gehen gleichfalls auf die Araber zurück. Dort übte man schon das Ma-
zerieren des Lumpenmaterials, seine Reinigung und Bleichung (mit Kalklauge), worauf dann aus
der Materie das im Mittelalter sogenannte ,Halbzeug" hergestellt wurde. Den nächsten Schritt
bildete die Umwandlung des Halbzeuges in eine breiartige Masse, das Ganzzeug, was durch voll.
kommene Zerkleinerung des Stoffes in Stampfen und Mühlen geschah. Auch die Papiermühlen sind
eine den Arabern wohlbekannte Einrichtung, die teils mit der Hand, mehr aber noch mit Wasser-
kraft betrieben wurden.) Nur in dem folgenden Prozef des Leimens erfolgte in mittelalterlicher
Zeit eine Anderung, indem statt der früheren rein vegetabilischen Leimung mit Stärkekleister in
Europa etwa seit dem Ende des 13. Jahrhunderts animalische Stoffe (Leim) in Anwendung gekommen
sind.*) Diese Änderung in der Leimungsweise und vielleicht auch der Übergang von Handstampfen
zum Mahlverfahren scheinen es mit verursacht zu haben, daß seit dem 14. Jahrhundert die euro-
päischen Papiere statt der bisherigen langen auffallend kurze Fasern zeigen, was man früher als
einen Anhaltspunkt für die Unterscheidung zwischen Baumwollen- und Leinenpapier ansah.
Das Schôpfen des Ganzzeuges zu Papierbogen vermittels Draht- oder ähnlicher Formen
wurde gleichfalls schon in den arabischen Fabriken geübt, wie sich aus den Rippenmustern auf
Blättern des 8. Jahrhunderts erkennen läßt; und nicht minder ist die Papierfärberei®) und die An-
wendung gefärbter Papiere zu Schreibzwecken eine alte Übung, die das Mittelalter herübergenommen
hat, wenn auch lange nicht in dem Maße, wie beim Pergament.
Eine wohl erst der spätmittelalterlichen Papiererzeugung angehôrende Eigen-
tümlichkeit ist die seit dem Ende des 13. Jahrhunderts nachweisbare Anbringung von
Fabriks- oder Schutzmarken in der Art der sogenannten Wasserzeichen‘ (Filigrane),
welche in das Netz des Papiers eingearbeitet sind und sich durch lichtere Linien offen-
baren. Unzweifelhaft weisen sie ursprünglich auf bestimmte Erzeugungsorte oder Er-
zeuger hin, allein die Marken beliebter Papiere, wie etwa der „Ochsenkopf“, wurden
vielfach nachgeahmt, auch war alle Zeiten hindurch das Papier ein Exportartikel, so
daß man auch in Deutschland auf italienischem oder französischem, in Frankreich auf
deutschem Papier geschrieben hat.5) Für die Provenienzbestimmung von Handschriften,
manchmal zur Bestimmung des terminus ad quem, kann das Wasserzeichen immerhin
Anhaltspunkte bieten, ebenso wie man nach der Qualitát, dem feineren Netz, der rei-
neren Farbe und grôBeren Schmiegsamkeit die verschiedenen Fabrikate, besonders die
südlàndischen (italienischen) und die mittellàndischen (deutschen) Papiersorten unter-
scheiden kann.
Zweites Kapitel: Formen der Sehriftwerke.
8 1. Die antike und mittelalterliche Rolle.
Die älteste Form, in der, abgesehen von Wachstafeln, Schriftwerke uns über-
liefert sind, ist die Rolle, und ihre Herrschaft muB weit zurückreichen hinter die Zeit,
von der wir Kenntnis haben. Daß der Papyrus in Rollen in den Handel kam, war eigent-
1) Vgl. BRzssLav S. 895. 2) Vgl. über Papierpreise ROCKINGER a. a. O. S. 24.
3) KAnRABACEE, M. Pap. Erzh. Rainer II—III, 137.
4) WIESNER, ebenda S. 218ff., 253. 5) Vgl. KARABACEK S. 139 u. 146.
6) Vgl. auBer WATTENBACH, Schriftwesen S. 143, C. M. BriquET, De la valeur des filigranes
du papier comme moyen de déterminer l’âge et la provenance de documents non datés. Gent 1892,
und Les Filigranes. Dictionaire historique des marques du papier dès leur apparition vers 1282
jusqu’en 1600, avec 39 figures .. . et 16112 fac-similes. Paris-Leipz. 1907. E. KIRCHNER, Die Papiere
des 14. Jahrhunderts im Stadtarchiv zu Frankfurt und deren Wasserzeichen. Frankfurt 1893;
F. Kzınz, Die Wasserzeichen des 14. Jahrhunderts in Handschriften der k. bayer. Hof- und Staats-
bibliothek in Abh. B. Ak., philos.-philol. Cl. Bd. 20, Abt. 3, S. 1—46, mit 38 Tafeln.
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