46 B, Bretholz: Lateinische Paláographie. Zweit
Eine andere, zunächst unwesentlich scheinende Veränderung bewirkt das Schreib- länge
instrument, das Rohr, indem es eines Ansatzes bedarf, bevor es den eigentlichen Strich der ]
zieht und auch nicht so jáh abbrechen kann, wie der Meif)el oder Griffel. Die Schäfte untei
erhalten hierdurch am Kopf und am Fue kleine Ansatz- oder Auslauflinien, die durch
das Ansetzen oder Auslaufen des Schreibrohres verursacht sind. Wo aber ein solcher WAT
Abschlufstrieh nieht gemacht werden kann, weil hierdurch leicht eine Verwechselung BRE:
des Buchstaben mit einem anderen hervorgerufen werden könnte, wie bei F gegenüber die ]
| HE, oder bei R gegeniiber B, zieht man ihn als Schaftverlingerung: FR. verw
Durch diese Veränderungen, so unscheinbar sie auch sind, erhält das Schriftbild einen neuen | dure
Charakter, es werden Elemente hineingebracht, die überaus entwicklungsfáhig waren. Vor allem weis
der Bruch mit der gleichen Grófle dér Buchstaben. Schon im herkulaneischen Papyrusfragment
sind Q durch die auffallend stark entwickelte Cauda und F durch den kräftig umbiegenden Auslauf |
(vgl. TANGL in den Erläut. a. a. O.) charakteristische Buchstaben. Das Brieffragment aus Ágypten | räun
zeigt diese Eigentümlichkeiten in voller Blüte und auch auf andere Buchstaben ausgedehnt. Dem | halt
Schreiber auf Papyrus werden die langen schrägen Striche gleichsam aus der Feder gezogen. Q be-
steht hier gar nicht mehr aus Doppelbogen mit Cauda, sondern an die Cauda, die ein kräftiger Ent
schrüger Strich geworden ist, schließt sich links oben ein kleiner Halbbogen an. 7 sinkt mit seinem | 3. ui
Schaft regelmäßig tief hinunter, ganz ebenso aber auch schon der erste Schenkel von A, der Schaft üb
von I und R und die bereits zu einem Schaft umgewandelte Wellenlinie von S. Eben dieser Buch- üper
stabe belehrt uns über eine der wesentlichsten Veründerungen, die sich auf dem Papyrus vollzieht
und schon in dem Brieffragment deutlich zutage tritt.!) Die ursprünglich schón und breit gewundene insch
Linie hatte sich verschmálert, in die Länge gezogen, bis aus ihr ein gerader Schaft wurde, der zur FT
Kenntlichmachung der einstigen Rundung oben einen gerundeten Ansatzstrich erhielt: S f f. Eine Flücl
ganz entsprechende Wandlung erfahren aber auch die Bogenlinien von B und D; der zweifache so dz
Halbbogen bei B, der einfache bei D dehnt sich, dort zu einer schrügen Wellenlinie, hier zu einer
schrägen Hakenlinie, an die sich dann der Schaft in Erinnerung, daß wir es mit geschlossenen Buch- i &
staben zu tun haben, als verkümmerter Halbkreis anlehnen muf: 1,2) 33). Bei dem von Haus aus di
offenen E kann die Umwandlung folgerichtig nur in der Form erfolgen, daß an die aus Bogen und geht
Cauda entstandene Wellenlinie links der Schaft angesetzt wird: ]<*). Die Buchstabenteile bestehen erii
noch, aber ihre ursprüngliche Form, ob Schaft, Bogen oder Rundlinie, ist nebensáchlich geworden. ee T
ist 1
ob ab ha N übe
Buchstabenformen aus dem Papyrusfragment des ,Carmen de bello Actiaco". oy
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M. N À t T: A Gr
zwei
Buchstabenformen aus den Brieffragmenten auf Papyrus. zum
, der
Wenn man Schriftstücke dieser Art, ob nun in ihnen alle oder nur einige
dieser Buchstabenveränderungen Platz gegriffen haben, ob der ProzeB mehr oder weniger
weit vorgeschritten erscheint, gegenüberhält jener prächtigen Kapitalschrift der
älteren Monumente, so wird man nicht zweifeln, daß die Schrift auf Papyrus und den p
anderen schmiegsamen Stoffen, die dem alltäglichen Schreibbedarf dienten, frühzeitig (Dez
einen anderen Typus angenommen hat. "Wohl sind es noch Kajpitalbuchstaben, NK
die hier Verwendung finden, aber in flüchtigster Form, wie sie das geláufige Schreiben dd
bei gleichzeitiger Anpassung an den Schreibstoff hervorbringen mute. Man setzt
sich hier über Ecken, dort über mühsame Krümmungen und Bogen hinweg, man ver-
Nr.
1) Es ist selbstverständlich, daB ich mich lediglich auf die Faksimiles stützen kann, die aber und
auf Grund freier Nachzeichnung hergestellt nie jene Genauigkeit und Schürfe haben kónnen, wie
sie für Schriftuntersuchungen erwünscht sind; man vgl. beispielsweise WxssErv T. II, Nr. 2 (nach XIV
den Nachzeichnungen in den Volum. Hercul.) und Sterrens T. 4 (3) Nr.1 (nach jenen Scorrs in den
Fragm. Hercul.), Z. 2, Buchstabe 3 u. 4: A E; hier A ohne, dort mit Querstrich, hier E eckig, dort We:
ausgesprochen rund usw. A diirfte bei WessELY, E bei STEFFENS, beziehungsweise ihren ver- Raï
schiedenen Vorlagen richtiger gezeichnet sein. (nac
2) Vgl. WxzsseLY T. I, Nr. 1, Z. 4 (ganz undeutlich), 18; Nr. 2, Z. 8 (ganz undeutlich), 10 (un- Verl
deutlich, eher wie B), 17, 18, 20, 21; Nr. 3, Z. 3, 4, 9, 12. Nr.
3) Ibid. I, 1, Z. 2, 6, 10, 11, 12 usw.; I, 3, Z. 3, 5 (alte und neue Form nebeneinander) usw. - Pa
4) Ibid. TI, 1, Z. 5, 7, 8, 15, 16 (hier fast noch Bogen und Cauda zu unterscheiden) usw. Nr.