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B. Bretholz: Lateinische Paläographie.
sichere Belege.! In Papsturkunden erscheint diese Schrift zunächst zu Beginn des
11. Jahrhunderts ganz sporadisch unter Johann XVIII. (Jarr£-L. 3953 v. J. 1007)
und Sergius IV. (ib. 3976 v. J. 1011). Aber erst unter Clemens II. (1046—1047) und
seinen unmittelbaren Nachfolgern gewinnt der Prozef an Bedeutung, und mit dem
Ende des 11. und Beginn des 12. Jahrhunderts, unter Paschal II. (1099—1118), liegt
er abgeschlossen vor; die letzten Reste von Kuriale schwinden aus den päpstlichen
Urkunden. Die rómische Privaturkunde macht — so scheint es — diese Entwicklung
nicht mit; hier bildet sich auf der Basis der Kuriale eine eigenartige schulgemüfe
Schrift aus?), die nur lokale Bedeutung hat, wie denn auch in Florenz, Lucca und ander-
würts in Italien typische Schriften sich ausbilden.
Fragen wir nach dem Grunde jener merkwürdigen Entwicklung in der päpst-
lichen Kanzlei, so müssen die beiden Ansichten, die darüber ausgesprochen wurden,
angeführt werden. Man hat die Erscheinung in Zusammenhang zu bringen versucht
mit der Einführung deutscher Schreiber durch die deutschen Päpste in die Kanzlei.
PFLUGK-HARTTUNG hat das Wort von der „Papstpolitik in Urkunden“ nicht nur ge-
schaffen, sondern es auch zu erklären versucht und nicht zuletzt durch den Hinweis
auf die Schriftentwicklung.?) Und doch sind es nicht politische Motive, sondern große
in Rom selbst unter römischen Päpsten durchgeführte tiefgreifende Änderungen im
päpstlichen Kanzleiwesen haben allmählich die Kuriale entthront und der Minuskel
zum Siege verholfen, wie dies KEHR nachgewiesen hat.‘) Neben dem alten päpstlichen
Kanzleibureau, dem Scrinium®), an dessen Spitze ein suburbikarischer Bischof als
Bibliothekar stand, mit einer Anzahl von Kanzleibeamten, den scriniarii, denen auch
die Herstellung der Urkunden zukam, entwickelte sich im Verlaufe des 11. Jahrhunderts,
mit jenem von Anbeginn rivalisierend, eine zweite Kanzleizentrale. Ihr Beamtenstand
setzte sich aus dem Familiarenkreis des Papstes zusammen, war weit mehr als beim
Scrinium mit seiner Person, mit dem palatium Lateranense in Verbindung, gleichsam
ein ,pápstliches Kabinett"; auch von hier gingen direkt Urkunden aus, die aber nicht
die scriniarii, sondern notarii palatii, Pfalznotare, schrieben, als deren Vorstand der
Kanzler galt. Im Gefolge der deutschen Pàpste, deren Reihe mit P. Clemens II. (1046
bis 1047) begann, kamen Mánner in das Pfalznotariat, denen die Kuriale durchaus
fremd war, die in den in Deutschland üblichen Urkundenschriften schrieben und auf
diesem Wege die Minuskel in der pápstlichen Kanzlei einbürgerten. Da in der Folge-
zeit immer wieder Rückfülle eintraten, hängt damit zusammen, ob der Papst in Rom
weilte, wo ihm das Scrinium neben dem Palatium zur Verfügung stand, oder außerhalb
Roms, wo er auf das alleinig ihn begleitende Palatium angewiesen war.) In Rom
nebeneinander tätig, bewirkt diese zweifache Organisation eine gegenseitige Beein-
flussung in den Urkundenformen und in der Schrift. Letztere tritt besonders deutlich
unter Urban II. und Paschal IT. hervor, wo Scriniare eine Kuriale schreiben, die zahl-
reiche Minuskelelemente in sich faft, und umgekehrt Pfalznotare in ihrer Minuskel
sich von der Kuriale beeinfluft zeigen. Es entsteht zunächst die Schrift, die KEHR
schon unter Papst Urban II. als ,, Kurialminuskel" bezeichnet, die sich aber im 12. Jahr-
hundert vollstándig in die pápstliche Minuskel aus- und umgestaltet.")
1) Vgl. HARTMANN I, S. XXII, Anm. 2. 2) Vgl. Kzgg, GGA. (1896), 22.
3) HZ. LV, S. 71. — Von anderem Gesichtspunkte hat die Frage MünrsACHER behandelt;
y Kaiserurkunde und Papsturkunde“, MIOG., 4. Erg.-Bd. S. 499.
4) P. KEnr, Scrinium und Palatium, in MIOG., 6. Erg.-Bd S. 70ff.
5) Uber Scrinium vgl. auch H. BressrAv, Urkundenlehre I, S. 162.
6) Der Aufsatz KEnrs verfolgt nach dieser Richtung Pontifikat für Pontifikat. Natürlich
äußert sich das verschiedene Regime nicht bloß in der Schrift, doch berühren die anderen Punkte
nicht die Paläographie, sondern mehr die Diplomatik.
i 7) S. ihre Charakteristik, sowie Hinweise auf Faksimiles bei MÜHLBACHER a. a. O S. 507.
— KALTENBRUNNER, MIÓOG. I, S. 376, glaubt, dafi bei der Bildung der neuen , Kuriale" des 12. Jahr-
hunderts montecassinensische Einflüsse sich geltend machten.
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