Full text: Lateinische Paläographie (Band 1, Abtlg. 1)

   
an- 
1ge 
Big 
ren 
er- 
om 
De- 
aft 
el- 
ct 
  
Zweiter Hauptabschn.: Entwickel. d. lat. Schrift. Siebentes Kap.: Die Entwickel. d. Schrift usw. 79 
staltung der Schrift, die zwar an den Kursivverbindungen besonders bei ef, te, tt, ec, ed 
usw. strenge festhält, aber einen gleichmäßigen kräftigen Zug bewahrt, die Wort- 
trennung einigermaßen berücksichtigt, mit einem Worte gegenüber der Urkundenschrift 
weit leichter leserlich ist. Gleichfalls noch dem 7. Jahrhundert zugerechnet wird ferner 
die Corbier Handschrift des Gregor von Tours (Paris, Bibliothèque nation. Nr. 17 655)?), 
die stárkeren kursiven Charakter zeigt als das Lektionar, sich der gewóhnlichen Ur- 
kundenschrift weit mehr náhert. Kalligraphische Vollendung findet sich dann wiederum 
in einigen Handschriften des 8. Jahrhunderts: im Veroneser Kodex der Moralia S. Gre- 
gorii in Job (Mon. graph. Lief. IV, T. 3), einem der schónsten Beispiele merowingischer 
Buchsehrift, in der St. Galler Handschrift Nr. 214 enthaltend einzelne Pergament- 
blátter mit Dialogen Gregors des GroBen (SrErrENs T. 30a — 29b, Mon. pal. XVII, 4), 
im Brüssler Kodex mit Homilien des hl. Caesarius (SrEFFENs Suppl. T. 116 — 29a), 
in dem Würzburger Palimpsest mit Augustins Enarrationes in psalmos (AnNDpT-TANGL 
T. 112) und Mon. pal. Lief. V, T. 43), im Evangeliar von Autun, wo zwar nicht der 
Text, der jüngere Unziale zeigt, aber die Anmerkungen in merowingischer Kursive ge- 
schrieben sind, die sich karolingischer Minuskel sehr nähert (Srerrens T. 31 — 37), 
im Isidorus-Codex Augiensis (Reichenau) LVII der Karlsruher Bibliothek, der in Nord- 
italien entstanden sein soll.) Hier treten alle die charakteristischen Merkmale der 
Urkundenschrift zutage, sowohl die iibergrofle Schaftverlingerung und übertriebene 
Aneinanderpressung der Buchstaben, als auch die mannigfachen kursiven Buchstaben- 
formen und die iiberreiche Anwendung der Ligaturen. 
Uber das 8.Jahrhundert hinaus haben sich Handschriften in merowingischer Schrift 
nicht erhalten. Es ist charakteristisch in dieser Hinsicht, daß in einer in Amiens vor 812 
entstandenen Handschrift mit Schriften des Hieronymus (h. in Bamberg, Kgl. Bibl. B. 
V. 13) merowingische Schrift nur noch angewendet wird, um Zitate hervorzuheben; vgl. 
Mon. pal. Ser. I, Lief. XVIII, T. 6. Die Entwicklung bricht ab, die Buchkursive findet 
durch die karolingische Schriftreform wenigstens im Frankenreich ein frühes Ende. 
§ 2. Die Grundideen der karolingischen Schriftreform. 
Es ist bekannt, daß die merowingischen Konige schreiben konnten und ihre 
Urkunden selber unterfertigten. Karl der Große hat erst als Mann nachzuholen versucht, 
was in seiner „Schulbildung“ versäumt worden: die Kunst des Schreibens. Unter dem 
Kopfkissen verwahrte er die Schreibtafel, um in Stunden, da ihn der Schlaf mied, sich 
im Schreiben zu üben; „aber wenig Erfolg hatte die allzu spät begonnene Arbeit“, 
berichtet sein Biograph Einhard. Dagegen hatte er die lateinische Sprache vollkommen 
erlernt und verstand auch, wenn man Griechisch sprach. Man braucht deshalb noch nicht 
von einem Rückgang der Bildung unter den Karolingern zu sprechen, allein so viel 
scheint sicher, daß der Schreibunterricht in der fränkischen Schulbildung eine geringe 
Rolle spielte, daß aber Karl die Bedeutung auch dieses Mangels voll erkannte und wie 
an sich selber, so auch bei der Jugend überhaupt zu beheben versucht hat. 
1) Vgl. W. AnNprT in SS. rer. Merov. I, S. 25 mit Lichtdrucktafel; PRov, Manuel S. 29. 
2) AnNDT-TANGL bietet für merowingische Buchschrift noch weitere Beispiele in T. 35a 
(Tract. gramm.), 35b (Kopie eines Briefes P. Gregors des GroBen, Bern, Stadtbibl., saec. VIII), 
STEFFENS T.33a — 43a (Buchschrift des Schreibers Winithar von St. Gallen von c. 761), 30b=49 a 
(Slg. róm. Inschriften, Corbie, jetzt Petersburg, c. 800), T. 21b — 43b (Latein.-deutsches Wórter- 
buch in St. Gallen aus dem Ende des VIII. Jahrh.). 
3) In den Erláuterungen ein Verzeichnis von Faksimileliteratur für merowingische Bücher- 
schrift; TRAUBE (Abh. Bayer. Akad., phil.-hist. Kl, XXI, 1898, S. 720) zitiert einen Codex Boni- 
fatianus in Fulda ,in sogenannter merowingischer Schrift, saec. VIII", davon ScnaxNar, Vindiciae I, 
S. 222 eine Schriftprobe enthält. — S. auch das Verzeichnis bei WATrENBACH, Anleitung, S. 25/6. 
4) Vgl. A. HoLDER in Mélanges offerts à E. CHATELAIN (1910). 
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
     
   
  
  
   
    
  
  
  
  
  
  
    
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.