Full text: Deutsche Verfassungsgeschichte von den Anfängen bis ins 15. Jahrhundert (2. Reihe, Abteilung 3)

    
    
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
   
  
   
  
  
  
   
    
96 Aloys Meister: Deutsche Verfassungsgeschichte des Mittelalters usw. 
rich mußte Großes dagegen bieten: für die weltlichen Fürsten und Großen Erblichkeit 
von Lehen und Eigengut sowohl bei männlichen als weiblichen Nachkommen; für die 
geistlichen Fürsten Verzicht auf das Spolienrecht. Trotzdem ist er gescheitert; es 
gelang nur, daß der zweijährige Sohn Friedrich tatsächlich zu Lebzeiten des Vaters 
zum König gewählt wurde. Schon im folgenden Jahre ist Heinrich VI. gestorben, und 
das war ein Verhängnis für die Erbmonarchie; sie hatte nicht mehr die Kraft, dem 
unmündigen Kinde die Krone zu erhalten. Zwar versuchte Heinrichs VI. jiingster 
Bruder, Philipp von Schwaben, anfangs, für den schon gewählten kleinen Friedrich 
einzutreten und so dem direkten Erbgang zum Erfolg zu verhelfen, aber die staufischen 
Anhänger selbst rieten ihm, die eigene Ka ndidatur aufzustellen, weil gegen eine starke, 
für die Neuwahl eintretende Opposition ein dreijähriges Kind als König nicht durch- 
zusetzen war. So schritt auch die staufische Partei zu einer Neuwahl und verließ ebenso 
wie die Oppositionspartei den gegebenen Rechtsbodea des unbedingten Erbrechts. 
Immerhin aber bedeutete Philipps Wahl ein Festhalten am erbberechtigten Geschlechte. 
Die drei Monate spüter getütigte Wahl Ottos IV., — seine Wähler hatten anfangs Un- 
glück mit ihren Kandidaten : Bernhard von Sachsen und Berthold von Zühringen hatten 
abgesagt, — hatte keinen anderen Rechtsgrund als das fragliche freie Wahlrecht.") 
Im weiteren Verlaufe des Wahlstreites treten Momente zutage, die bereits Vorstadien des 
Kurfürstenkollegs sind und daher zweckmäßig später mit diesen zusammen behandelt werden. Daß 
Deutschland im Jahre 1212 zu dem schon 1196 gewählten staufischen Erben Friedrich zurückkehrte, 
bedeutete keine Stärkung des alten Erbgedankens, Friedrich mußte sich sogar eine zweite Wahl ge- 
fallen lassen. Aber es gelang Friedrich seinerseits, die Wahl seines Sohnes Heinrich (VII.) 1220 durch- 
zusetzen, was wiederum ein bewuBtes Einlenken in die Erbmonarchie darstellte. Und als er selbst 
diesen Sohn wegen seiner Empörung wieder abgesetzt hatte, verstand er es noch ein zweites Mal, die 
Fürsten zur Wahl eines Sohnes, Konrads, zu bewegen.?) Vor der Unsicherheit der freien Königswahl 
hatte sich nochmals das größere Sicherheit bietende Erbprinzip behauptet; es war das letztemal. 
b) Wahlakt und Kónigskrónung. 
MAURENBRECHER, 8. 0. unter a). LINDNER, Die deutschen Kónigswahlen und die Entstehung 
des Kurfiirstenkollegs. 1893. LINDNER, Der Hergang bei den deutschen Kónigswahlen. 1899. Bucn- 
xER, Die deutschen Kónigswahlen (Gierkes Untersuchungen 117). 1913. S. 271f. 
Bis zur Mitte des 13. Jhs. war der Vorgang der Wahl manchen Schwankungen 
unterworfen gewesen, Gewohnheitsiechtlieh haben sich gewisse Grundzüge heraus- 
gebildet, die aber nur im allgemeinen bei normaler Lage genügien. Bo ergab es sich 
von selbst, daB der erste Repräsentant der Reichskirche immer eine schwerer wie- 
gende Stimme haben mußte als irgendein Suffraganbischof, ebenso mußte der Ver- 
treter eines deutschen Stammes wie der Bayernherzog bei der Königswahl eine be- 
deutendere Rolle spielen als irgendein Graf seines Herzogtums. Wenn ein so mäch- 
tiger Herr von der Wahl wegblie», wenn er dem neuen Herrscher seine Anerkennung 
versagte, so hatte dies eine ganz andere Wirkung als die Ablehnung irgendeines un- 
bedeutenden Wühlers. Deshalb mute er gewonnen werden, um eine Einmütigkeit 
herbeizuführen. Daraus ergab sich die Abgabe der Stimme eines solehen Fürsten 
an erster Stelle innerhalb der geistlichen bzw. der weltlichen Fürsten seines Bezirks, 
eine Art Vorstimmrecht. 
1) O. Arr, Konig Philipp der Hohenstaufe. 1852. E. WINKELMANN, Philipp von Schwaben 
und Otto IV. 2 Bde. 1873. 1878. LANGERFELD, Kaizer Otto IV. 1872. Uber die Beziehungen des 
Papsttums zur Doppelwahl vgl. E. ENGELMANN, Philipp von Schwaben und Papst Innocenz IIl. 
Berlin. Progr. 1896; F. HuzmrER, Geschichte Innocenz' III. 4 Bde. 1834—1872; R. SCHWEMER, 
Innocenz III. und die deutsche Kirche wihrend des Thronstreites. 1882; W. LiNDpEMANN, Kritische 
Darstellung der Verhandlungen Papst Innocenz' III. mit den deutschen Gegenkénigen. I. Magde- 
burg. Progr. 1885; H. Krarro, Ottos IV. erste Versprechungen an Innocenz IV. NA. Bd. 27. Über den 
Kónigsmacher Adolf von Kóln: V. RónRIcH, Adolf I., Erzbischof von Kóln. I. T. Kónigsberg. Diss. 
1886; WorrscHLAGER, Erzbischof Adolf 1. als Fürst und Politiker, in Münstersche Beitrüge von 
A. Mrisrer. NF. H.6. 
2) K. G. HUGELMANN, Die Wahl Konrads IV. 1287. 1914.
	        
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