Wahl und Krönung
Dies bedeutete einen faktischen Unterschied in dem Wert der Stimmen; rechtlich
dagegen waren sich alle gleich.
Den Gewählten verkündete der Erzbischof von Mainz; es ist wahrscheinlich,
daß hier eine Anlehnung vorliegt an das ähnliche Verfahren bei den Bischofswahlen
und der Papstwahl.!) Der Erzbischof von Mainz hatte überhaupt bei der ganzen
Wahlangelegenheit großen Einfluß. Wie er meist das Ausschreiben zur Wahl erließ,
so hat er auch die Wahl formell geleitet.
Auch die Päpste haben wiederholt versucht, bei den deutschen Königswahlen
Einflub zu g»winnen; páüpstliche Legaten sind daher bei vielen Königswahlen zu-
gegen. Der Papst hatte ein Interesse daran, bei der Wahl vertreten zu sein, weil der
Gewählte dazu bestimmt sein sollte, aus seiner Hand die Kaiserkrone zu empfangen
und mit dem Kaisertum auch Pflichten im Interesse der Gesamtkirche zu übernehmen.
Bis zur Zeit Heinrichs IV. war die Beteiligung des Papstes oder seineı Beauftragten
an der Wahl für diese rechtlich bedeutungslos; erst der Konflikt Heinrichs IV. mit
Gregor VIT. steigerte die Ansprüche des Papsttums.?) Gregor VII. verlangte, da ihm
über die Eigenschaften des Gewählten Auskunft erteilt werde, damit er seine Bestáti-
gung geben kónne; er beanspruchte also Prüfung der Würdigkeit des Kandidaten und
Bestätigung. Als Rudolf von Schwaben gewählt und nunmehr zwei Könige vorhanden
waren, forderte er für sich die Entscheidung, wem das bessere Recht zustehe. Vor der
Wahl des Gegenkönigs Hermann wird sogar von diesem verlangt, daß er sich als Vas-
sallen des hl. Petrus und des Papstes erkläre. Bei Lothars und Konrads IIT. Wahl
sind päpstliche Legaten zugegen, Lothar bittet durch besondere Gesandtschaft nach
Rom um die päpstliche Bestätigung, und bei Konrads III. Wahl ist die Zustimmung
des Papstes gleich im voraus bekanntgegeben worden. Die Doppelwahl von 1198 und
die Umdeutung der Königswahl zur Kaiserwahl (s. unter c) gaben dem Papste neue
Handhaben für seinen Approbationsanspruch.
Auf die Wahl folgte unmittelbar die Huldigung der anwesenden Großen des
Reiches. Diejenigen, die nicht persönlich bei der Wahl zugegen waren, huldigten beim
Krönungsfeste. Im übrigen machte der König nach der Krönung eine Umfahrt durchs
Reich, um sich bei den einzelnen Stämmen huldigen zu lassen (Kônigsritt), nôtigen-
falls Anerkennung und Huldigung durch Kampf zu erzwingen. Später fiel der Um-
ritt fort.
Auf die Wahl folgte die Znvestitur oder Einführung in das Kónigtum und die
Krönung. Beides wurde meist in Aachen im alten Kaiserdome miteinander ver-
bunden. Der Erwühlte wurde zuerst gesalbt, dann empfting er das Schwert als Zeichen
seiner Macht, ferner die Armspangen, darauf wuide ihm der kónigliche Mantel um
die Sehultern gelegt, und dann erhielt er Siegelring, Zepter und Stab und schlief-
lich aufs.Haupt die kónigliche Krone.?) Alsdann wurde er feierlichst zum Stuhle
Karls d. Gr. geleitet, und indem er ihn einnahm, vollzog er die Inthronisation. Alle
diese Akte wurden eingeleitet und begleitet durch Gebete und Segnungen und be-
schlossen durch ein Tedeum. Bei dem anschließenden Festmahl taten die angesehen-
sten Fürsten zum erstenmal beim neuen König Hofdienst. Salbung und Krönung
sind durch Heinrich I. abgelehnt worden; seit Otto I. aber gehören sie, wie sie auch
1) Bei der Bischofswahl die electio per unum, bei der Papstwahl eine Verkündigung der ge-
schehenen Wahl an das Volk. Vgl. WERMINGHOFF im Grundrif, S. 127 u. 210
2) Vgl. E. ExGELMANN, Der Anspruch der Päpste auf Konfirmation und Approbation der deut-
schen Kónigswahlen 1077—1379. 1886; P. Dóxrrz, Über Ursprung und Bedeutung des Anspruchs der
Päpste auf Approbation der deutschen Kónigswahlen. Diss. Halle 1891. Es ist unverständlich,
wie ENGELMANN S. 7 den Zusammenhang dieser päpstlichen Ansprüche mit der Stellung des Papstes
zum Kaisertum bestreiten kann. Warrz 6?, S. 239, Anm. 6 (SEELIGER).
3) Die Kronungsformel: Warrz, Vig. 6?, S. 160. Derselbe, Abh. d. Góttinger Ges. d. W. 18, 1873.