Der König 105
gerten die Erledigung des Königsthrones aus der Eideslösung durch den Papst. Auch
Alexander III. hat Friediich I. gebannt und die Untertanen des Eides entbunden;
aber das hatte nicht die Folge gehabt wie bei Heinrich IV., offenbar weil hier die
Fürsten nicht gegen den König Stellung nahmen.*)
Eine andere Schranke fand die königliche Gewalt in dem Recht. Der König
darf nur gebieten, was Recht und Herkommen ist und sich im Rahmen der Gesetze
hält. Der Satz „princeps legibus solutus est“ findet auf den mittelalterlichen König
keine Anwendung.
Eine gewisse Beschränkung liegt auch daıin, daß der König als Franke gilt;
Wahl und Krönung ist deshalb auf fränkische Orte beschränkt. Der König lebt nach
fränkischer Sitte, und er wird beurteilt nach fränkischem Recht.
; Und schließlich ist der König in allen wichtigen Angelegenheiten auf die Mit-
wirkung der Fürsten angewiesen. Er ist zwar nicht verfassungsmäßig an die Zustim-
mung der Fürsten gebunden; aber es bürgerte sich als zweckmäßig die Gepflogenheit ein,
in allen groBen Reichsfragen die Fürsten anzugehen.?)
Unmündigkeit schloß die Möglichkeit, die Regierung anzutreten, nicht aus. Als
Mündigkeitstermin galt nach dem ribuarischen Recht das 15. Lebensjahr. Bis dahin
war Vormundschaft nötig und Regentschaft; beides brauchte nicht notwendig in der-
selben Hand vereinigt zu sein. Darüber, wer Vormund oder Regent sein sollte, gab es
keine festen Bestimmungen; die überlebende Mutter und der nächste männliche An-
verwandte machten Anspruch darauf. Bei Heinrich IV. wußte Anno von Köln beides
an sich zu bringen mit der Behauptung, daß derjenige Bischof sich der Regierung an-
nehme müsse, in dessen Diözese der König verweile; er sorgte dafür, daß der Junge
König in seiner Nähe blieb. Später ist dann Anno von Köln durch Adalbert von Bre-
men verdrängt worden, der mit der Kaiserin Vormundschaft und Regentschaft teilte.
Der König regiert durch Privilegien und durch Bann. In der Form von Pri- I
vilegien bietet er einen Ersatz für die mangelnde Reichsgesetzgobung. Die dem König NN
allein zustehende Pıivilegienhoheit ist daher ein wichtiger Faktor für die Gestal- Il
tung der Reichsverfassung. it
Es ist ferner das Recht des Königs, Gebote und Verbote unter Kônigsbann za er-
lassen, das heißt : er kann ihnen größeren Nachdruck verleihen dadurch, daß auf die Ver-
letzung des königlichen Befehls als Strafe die höhere Königsbuße gesetzt wird. Die Bann-
gewalt des Königs ist jetzt in viel weitere Verhältnisse eingedrungen als in der fränki-
schen Zeit; sie ist wirksam auf dem Gebiete des Heerwesens, Gerichtswesens, des Land-
friedens und Polizeiwesens, des Regalienwesens und der Reichsfinanzen, des Lehns-
wesens und anderer öffentlichen Dinge. Dabei hat sich zum Teil der Begriff des Bannes
geändert. War der Heerbann der vorkarolingischen Zeit ein Heerbann im engeren
Sinne, der sich auf das Heer und den Kriegszug beschränkte, so erweitert er seinen
Charakter jetzt zu dem Begriff der allgemeinen Militárgewalt.
Die hauptsüchliehsten, im Wesen des Königtums beruhenden Rechte des Königs
sind folgeade:
1. Der König ist oberster Kriegsherr; er ernennt die Anführer und erläßt das
Aufgebot; er eröffnet den Feldzug und beendigt ihn durch Friedensschluß;
Aufforderung, daß Heinrich sich der Regierung zu enthalten habe, da er unwürdig sei. Der Papst
wollte damit einen Druck auf Heinrich ausüben, der ihn zum Nachgeben und zur Unterwerfung
zwingen sollte. Ahnlich urteilten schon RANKE und DôLLINGER, ferner GOLDSCHMIDT, Die Tage von
Tribur und Canossa, S. 13f.; MARTENS, Z. f. Kirchenrecht 17, 211f.; MARTENS, Gregor VIL, 1, 93€ ;
SANDER, Heinrich IV. und Gregor VIL, S. 155; MigBr, Absetzung Heinrichs IV., in kirchengesch. i
Studien f. Reuter, S. 122f.; F. Reprich, Absetzung der Konige durch den Papst, S. 191. |
1) Die Erklärung des Papstes an sich hatte also nicht die Wirkung einer Absetzung.
2) J. FroxEr, Fürstliche Willebriefe und Mitbesiegelungen, in MIOG. 1882. Dd. 3. S. ff.