114 Aloys Meister: Deutsche Verfassungsgeschichte des Mittelalters usw.
ein, besonders wenn mit dem Lehen ritterliche Dienste verknüpft waren. Im 12. Jh.
ist man jedoch dazu gelangt, daB mit der Vassallitát notwendig der Empfang eines
benefieium verbunden galt. Ein solehes Lehen mit Vassallenverháltnis, Rotterlehen,
ist besonders durch die Kreuzzüge und die Bevorzugung des Reiterdienstes in der
Hohenstaufenzeit allgemein in Aufnahme gekommen. Man unterschied es zuletzt als
rechtes Lehen von den übrigen Benefizialleihen.
Zu den Formalien bei Eingehung der Vassallität : Handreichung, KuB und Treu-
eid, trat jetzt hinzu die Bitte um ein Lehen, oder aber in den Eid ward eine Bezug-
nahme auf das Lehen aufgenommen, etwa in der Weise, daß der Treueid den Mann
binden solle, solange er das Lehnsgut besitze, oder daß er das Lehen verwirke, wenn er
seine Vassallenpflicht nicht erfülle. Die Erteilung des beneficium, die Investitur, wurde
ebenfalls durch einen symbolischen Akt vorgenommen, Darreichung eines Gegenstan-
des (Handschuh, Ring, Schwert, Speer), der nach Charakter des Lehens und Stand des
Herrn verschieden ist. Die Belehnung mit einem weltlichen Fürstenlehen geschah
durch die Fahnenlanze (Fahnenlehen, fanlehen!)), die Belehnung der geistlichen
Fürsten war früher durch die kirchlichen Symbole Ring und Stab erfolgt, nach dem
Wormser Konkordat sollte jedoch ihre Investitur mit den Regalien durch ein Zepter
vorgenommen werden (Zepterlehen).
Bei einer Anderung des Herrn (Herrenfall) und beim Wechsel des Mannes (Mann-
fall, Lehnsfall) wurde neue Huldigung geleistet und gleichzeitig um neue Investitur
gebeten; manchmal bedarf es nur einer neuen Huldigung, die als selbstverständliche
Folge die Fortdauer des beneficium nach sich zieht.
An Stelle des beneficium auf Lebenszeit tritt frühe schon das Streben nach Erb-
liehkeit des Lehens. Im 11. Jh. sind die nicht-fiirstlichen Lehen schon erblich, im
12. Jh. ist jedes Lehen, auch das Fürstenlehen, ein Erblehen, wenn nicht besonders
bei der Übertragung ausbedungen ist, daf andere Bestimmungen gelten sollten. -Für
Italien hatte schon Konrad II. 1037 die Erbliehkeit der Lehen gesetzlich festgelegt.?)
Es war anfangs schwankend, wer erbberechtigt am Lehen war; im 12. Jh. ist in
Deutschland im allgemeinen die direkte màünnliche Deszendenz erbberechtigt, doch
ist auch schon vielfach eine weitere Ausdehnung der Erblichkeit zu beobachten. So
hat Friedrich I. im privilegium minus dem neuen österreichischen Herzogtum weib-
liche Erbfolge zugestanden.
Der Lehnsmann hatte ein beschränktes Verfügungsrecht über das Lehen. Er
konnte es nutzen, wie er wollte, auch weiterverleihen, nur durfte er es nicht verkaufen
und vertauschen ohne Zustimmung des Herrn. Andererseits durfte aber auch der Herr
nicht in die Nutzung eingreifen und einseitig anderweitig darüber verfügen. Der Herr
konnte Lehnsgut in Eigentum des Inhabers umwandeln, meist geschah dies mit der
Beschränkung, daß es nur lebenslängliches Eigen sein sollte, — und das war kein Vor-
zug mehr, seit sich die Erblichkeit der Lehen eingebürgert hatte. Deshalb kam es
auch seitdem seltener vor.
Der Herr durfte das Lehen nur dann einziehen, wenn der Mann die Treue ver-
letzt oder die eingegangenen Verpflichtungen nicht gehalten hat. An der Untersuchung
und Entscheidung eines solchen Falles, beanspruchten die Lehnsgenossen, Anteil zu
1) Fahne kommt vom ahd. fano, dieses vom lat. pannus. Davon die Ableitung Banner und
Pannier. Vor dem Kampfe wurden die Fahnen angebunden (Nibelungenlied). Daher heute noch
die Redensart „mit jemandem anbinden‘‘.
2) MG. Constitutiones I S. 90. ALTMANN u. BERNHEIM, Urk. zur deutschen Verfassungsgesch.
us NA. 1 AL, S. 156; daselbst auch ein Lehnsgesetz Lothars 1136 (S..163) und eins Friedrichs I.
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