Full text: Deutsche Verfassungsgeschichte von den Anfängen bis ins 15. Jahrhundert (2. Reihe, Abteilung 3)

   
    
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
   
   
118 Aloys Meister: Deutsche Verfassung/sgeschichte des Mittelalters usw. 
richtet, die Macht des Herzogtums nicht zu. gefährlich für die Krone werden zu lassen, 
und sie suchten das zu erreichen teils dadurch, daß sie die Herzogtümer an Familien- 
glieder und Getreue vergaben, was besonders Ottos I. Politik war, teils dadurch, daß 
sie durch Teilungen und Abtrennungen den Bestand der einzelnen Herzogtümer ver- 
ringerten. Auch suchten sie wohl durch Begünstigung anderer Gewalten dem Herzog- 
tum ein Gegengewicht zu bieten. Freilich hat das Kónigtum durch seine halben MaB- 
regeln sich nur vorübergehend und teilweise die Sicherheit vom Herzogtum erkauft. 
Schon Ottos Familienpolitik hatte zum Teil Fiasko gemacht: der Bruder Brun war 
seiner Aufgabe nicht gewachsen, so daß in seinem Gebiete zwei einheimische Herzöge 
sich behaupten konnten; der Sohn Ludolf und der Sehwiegersohn Ottos, Konrad, hatten 
sich gar gegen den Kónig empórt; und der Bruder Heinrich hatte sich zwar als baye- 
rischer Herzog bewährt, dafür aber war sein Sohn Heinrich ein um so gefihrlicherer 
Rebell gegen Otto II. geworden. 
Ein anderes Mittel, das Herzogtum niederzuhalten, fand sich in der Verhinde- 
rung der Erblichkeit; das Kónigtum wollte sich das unbeschrünkte Besetzungsrecht 
der Herzogsstellen wahren. Das gelang den frünkischen Herrschern in Bayern und in 
Schwaben, während in Sachsen die Billunger und in Lothringen die Ardennengrafen 
den Anspruch auf Erblichkeit durchsetzten. Auch in den anderen Herzogtümern ist 
von den Herzogsfamilien Erbrecht geltend gemacht worden, und selbst, wenn sie das 
Herzogtum nicht erhielten, vererbten sie wenigstens den Herzogstitel, so die Bezeich- 
nung Herzog in der fränkischen Königsfamilie, als das Herzogtum Franken nicht mehr 
vergeben wurde, so der Herzogstitel der Welfen vor ihrer Einsetzung in Bayern, weil 
Welf einmal das Herzogtum Kärnten besessen hatte, so die Herzogsqualität der Zäh- 
ringer ebenfalls, weil ihnen Kérnten gehort hatte.) 
Otto I. hat die Erblichkeit in den Herzogtümern formell nicht anerkannt, als 
kluger Politiker aber hat er es so eingerichtet, daB die von ihm eingesetzten Herzóge 
mit dem vorigen Herzogsgeschlechte verwandt waren. 
Zu einer Entkräftung des Herzogtums in größerem Maßstabe ist erst Friedrich I. 
geschritten. Vom Herzogtum Bayern hat er 1156 ein neues Herzogtum, Österreich, 
abgetrennt, das er aus der bayerischen Ostmark und aus drei Grafschaften bildete. 
Nach dem Sturze Heinrichs des Löwen 1180 schnitt er abermals aus Bayern ein neues, 
Steiermark, heraus, so daß damals an die Wittelsbacher nur ein sehr geschwächtes 
bayerisches Herzogtum kam. Gleichzeitig hat Friedrich das sächsische Herzogtum 
Heinrichs des Löwen zerschlagen, indem er dessen westfälische Gebiete als neues 
Herzogtum Westfalen dem Erzbischof von Köln übertrug und die transalbingischen 
Teile als besonderes Herzogtum an Bernhard von Anhalt vergab. Später, 1235, wurde 
dann noch aus dem Allodialbesitz des welfischen Hauses in Sachsen ein drittes Her- 
zogtum, Braunschweig, geschaffen.^ 
Bei der Einsetzung eines Herzogs beanspruchten die Fürsten ein Mitwirkungs- 
recht. Auch eine gewisse Anerkennung durch die Großen und das Volk des betreffen- 
den Herzogtums wurde als notwendig angesehen. Wo sich die Könige über den einen 
oder den anderen dieser Ansprüche hinwegsetzten, erwuchs ihnen eine heftige Oppo- 
sition, wie besonders dem König Heinrich IV. Auch als mehr und mehr das Erbrecht 
des regierenden Herzogshauses durchdrang, wird neben der Bestätigung durch den 
König stets die Mitwirkung des Volkes bei der Bestellung des Herzogs betont. 
Das Wesen des Herzogtums war keineswegs bei allen Herzogtümern und auch 
  
1) Daher auch der Titel Herzog von Limburg, weil den Limburgern eine Zeitlang Nieder- 
lothringen gehórt hatte. 
ee 2 r v. HEINEMANN, Die welfischen Territorien seit dem Sturze Heinrichs des Lówen. Leipzig. 
Diss. : 
  
	        
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