Full text: Deutsche Verfassungsgeschichte von den Anfängen bis ins 15. Jahrhundert (2. Reihe, Abteilung 3)

    
    
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
   
132 Aloys Meister: Deutsche Verfassungsgeschichte des Mittelalters usw. 
betriebe, dem Salinenwesen. Die Erbsälzer erlangen ein solches Ansehen, zumal da 
auch Landadelige in ihre Reihen eingetreten sind. 
5. Die Schöffenbarfreien, Pfleghaften und Bargilden. 
Das Schöffenamt, das durch die karolingische Gerichtsverfassung eingeführt 
war, ist aus den angesehensten Familien besetzt worden, und so hatte sich ein Kreis 
schöffenbarer Geschlechter gebildet. Wie in der Stadt die patrizischen Geschlechter 
von den Bürgern sich abschichteten, so erhoben sich auf dem Lande die schöffen- 
baren Geschlechter über die übrigen Gemeinfreien. Da die angesehensten zu Schöf- 
fen genommen wurden, so waren die Schöffenbarfreien meist edelfrei. Sie sind freie 
Grundbesitzer, nobiles, freie Ritter.!) Da aber, wo sich ein freier selbstbewußter 
Bauernstand vorfand, dagegen nur eine geringe Ritterschaft, da waren auch reiche 
Bauernfamilien im Besitze der Schôffenbarkeit. Freie, die in den Ministerialenstand 
eintreten, sich jedoch das Handgemal des freien Mannes bewahrt habea, behielten 
sich ihre Sehóffenbarkeit vor. Sie unterscheiden sich gerade durch diese vorbehal- 
tene Schôffenbarkeit von den althórigen Ministerialen. Auch die Reichsministerialen 
haben die Schoffenbarkeit. Somit sind die meisten Schôffenbarfreien ritterlichen 
Standes; es war aber nicht ausgeschlossen, daB in Gegenden, wo Mangel an Rittern 
vorlag, auch freie Gutsbesitzer dazu gehorten.?) 
Pfleghafte?) und Bargilden (Biergelden) siud Bezeichnungen, die soviel wie 
Steuerpfliehtige bedeuten. Es gind bäuerliche Gemeinfreie, die dem Grafen steuer- 
pflichtig sind. Die Pfleghaftensteuer ist nach der bisherigen Auffassung eine urgprüng- 
lich öffentlichrechtliche Abgabe gewesen, die demnach nicht die soziale Stellung der 
Pfleghaften als Gemeinfreie gemindert habe. Aber es gelingt den Grafen, die alte 
öffentlichrechtliche Bedeutung der Steuer zu verdunkeln und sie privatwirtschaft- 
lich zu verwenden.?) Die Zustände, die der Sachsenspiegel wiedergibt, zeigen jeden- 
falls die Pfleghaften unter privatem Herrschaftsrecht des Königs bzw. seines Ver- 
treters, des Grafen. Man nahm also einen Zerfall alter öffentlichen Rechte an, einen 
Übergang in privatrechtliche Herrschaft. 
Demgegenüber tritt jetzt Aporr Waas") dafür ein, daß der privatrechtliche 
Zustand voa Anfang an vorhanden gewesen sei. Die Pfleghaften seien eine besondere 
Gruppe von freien Bauern, die auf Grund und Boden saflen, der im Obereigentum des 
Kónigs stand.®) Deshalb schuldeten sie dem König oder dessen Vertreter (den Frei- 
grafen) Abgaben, ohne daß ihre persönliche Freiheit beeinträchtigt worden wäre. 
1) E. MeısTER, Ostfälische Gerichtsverfassung 1912 S. 1961. 
2) Morrroz, Stánde der Freien, S. 37f. BEYERLE, Die Pfleghaften. ZSavRg. 35. 1914. S. 419. 
3) Sachsenspiegel III, 45, $ 6. Hzcg, Die Biergelden, 1900; Derselbe, Der Sachsenspiegel 
und die Stände der Freien, S. 413—489, sucht nachzuweisen, daf die Pfleghaften Stadtbürger seien; 
ich kann mich dieser Deutung nicht anschließen. Dagegen AMIRA aa0. Neuerdings hat HECK seine 
Auffassung nochmals wiederholt in seinem Buch: Pfleghafte und Grafschaftsbauern. 1916. Vgl. 
dazu v. SCHWERIN, ZSavRg. 37. 1916. S. 697ff. Ferner: E. MEISTER, Ostfälische Gerichtsverfas- 
sung im MA. S. 209. Die verschiedenen Theorien über die Pfleghaften siehe bei MoOLITOR S. 4411. 
Mocrror und Frur (ZSavRg. 32. 1911. $. 488) sehen in den Pileghaften abhängige Zinsleute, die 
unter Beibehaltung eines Freigutes und Wahrung ihres freien Stendes in einen grundherrlichen Ver- 
band eingetreten sind. Mir scheint diese grundherrliche Theorie nicht das Richtige zu treffen, noch 
weniger überzeugend sucht v. WRocHEM (Der Schultheif in der Gerichteverfassung des Ssp. 1908) 
die Pfleghaften als Leute, die nur innerhalb der Grundherrschaft Eigen besaßen, hinzustellen. Mo- 
LITOR schränkte später (ZSavRg. 32. 1911. S. 332) seine Auffassung dahin ein, daß er die Pfleg- 
haften eine bäuerliche, grundbesitzende, abgabenptlichtige Bevôlkerungsklasse nennt und es offen 
lit, ob diese Abgabenpflicht eine privatrechtliche oder eine óffentlicbrechtliche ist. 
4) BEYERLE aaO. S. 423. 
5) A. Waas, Zur Frage der Freigrafschaften. ZSavRg. 38. 1917. S.146f. 
6) S. auch u. unter Vemgerichte.
	        
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