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Gerichtsverfassung
2. Die Landfriedensgerichte.
Zu allen Zeiten des MA. ist es vorgekommen, daß Fürsten und Große zusammen-
getreten sind zur gemeinsamen Wahrung des Landfriedens. Das geht zurück bis auf
die Versammlungen, die zu Karls d. Gr. Zeit von den missi dominici abgehalten wur-
den, in denen die Bischôfe und Grafen ihres Missatsprengels zusammenkamen, um
über Friedbrecher zu richten. Als das Institut der missi dominici eingegangen war,
haben die Herzöge zu diesem Zweck die Großen ihres Herzogtums zusammengerufen.
Und auch anderswo, wo keine Herzogtümer existierten, sind solche Landfriedensge-
richte für größere Bezirke zusammengetreten, so daß man die eigentümliche Stellung
des Thüringer Landgrafen und die Würde des Würzburger Herzogs auf den Vorsitz
in größeren Landfriedensgebieten zurückgeführt hat. Zuweilen wurden für das ganze
Reich Landfrieden verkündet; so schon einmal 1103 zu Mainz auf vier Jahre. Von
Friedrich I. sind uns sogar drei Landfriedensgesetze erhalten, von 1152, die ronkalische
eonstitutio paeis von 1158 und die Nürnberger constitutio contra incendiarios von
1186. Aber erst in der folgenden Periode vom 13. Jh. an beginnt die eigentliche Ge-
schichte der Landfriedensbündnisse und gleichzeitig eine ausgedehntere Landfriedens-
gesetzgebung.
Verwandt mit dem Landfrieden ist der Gottesfrieden, treuga Dei.!) Zuerst ist
auf deutschem Boden für die Diôzese Lüttich 1081 ein Gottesfrieden verkündigt wor-
den, dann 1083 für die Diözese Köln, 1085 zu Mainz für das ganze Reich. Die Ver-
kündigung des Gottesfriedens ging von der Kirche aus, und sie hatte den Zweck, die
Fehdelust und die Gewalttätigkeiten einzuschränken. Es wurde bestimmt, daß an den
kirchlichen Hauptfesten und an bestimmten Tagen der Woche, — in Deutschland
meist von Freitag abend bis Montag früh?), — jegliche Gewalttat strengstens verpönt
sei. Eingeschlossen in den Gottesfrieden waren alle dem Gottesdienst geweihten Per-
sonen und Orte.
3. Die Landgerichte (Kônigsbann, Grafengericht).
Bis ins 13. Jh. haben sieh die karolingisehen Grafengerichte als die ordentlichen
öffentlichen Gerichte erhalten, wenn auch zahlreiche Exemtionen im Laufe der Zeit
die Wirkung der öffentlichen Gerichtsbarkeit beeinträchtigt hatten und das Grafenamt
gelbst den Einfluß des Lehnswesens erfahren hatte, als es ein erbliches Lehen geworden
war. Man hielt aber noch daran fest, daß jede Grafschaft mit einem Grafenrichter
besetzt sein mußte; wenn also einmal ein Fürst mehrere Grafschaften erworben hatte,
so mußte er in den Grafschaften, in denen er nicht selbst das Grafenamt ausübte, einen
anderen Grafen, Vizegrafen, einsetzen.
In der fränkischen Zeit war die Hochgerichtsbarkeit des Grafen eine königliche
Vollmacht; der Graf richtete unter Königsbann. Im Laufe der Zeit hat man die Hoch-
gerichtsbarkeit als inhärierenden Bestandteil der ordentlichen Grafengewalt aufgefaßt,
und ein besonderer Königsbann wurde nur für besondere Fälle nötig. Für diese be-
stimmten Ausnahmen war der Königsbann ein Annex des Grafenamtes. Der Sachsen-
spiegel?) nennt als solche besondere Königsbannsachen das Eigengut und die Ver-
brechen Schöffenbarer. Daß das Urteil über Eigen zum Inhalt des Königsbannes ge-
1) Vgl. auBer A. KLUCKHOHN (s. 0.) noch HUBERTI, Studien z. Rechtsgesch. des Gottes- ind
Landfriedens. 1892. Um 1033 ist zuerst eine treuga Dei in Aquitanien, 1041 in Frankreich verkiindet
worden. Dann auch in Italien, Spanien und England. Die ersten drei Lateransynoden 1123, 1139,
1179 machten den Gottesfrieden verbindlich fiir die ganze Christenheit. Auch wurden sie in das
corpus iuris can. aufgenommen. :
2) Die Begrenzung war verschieden; öfters von Mittwoch abend bis Montag früh, in Eng-
land von Samstag abend an.
3) Der Schwabenspiegel kennt diesen Königsbann nicht.