Full text: Deutsche Verfassungsgeschichte von den Anfängen bis ins 15. Jahrhundert (2. Reihe, Abteilung 3)

   
158 Aloys Meister: Deutsche Verfassungsgeschichte des Mittelalters usw, 
zurückzuführen, sie richtet sich gegen die Staufer; aber der Rechtsgrund ist derselbe : 
Konradin wird vom Papste als unwühlbar erklárt wegen der Defekte der Person.*) Erst 
bei der abermaligen Doppelwahl von 1257 werden von den beiden Gegnern Alfons 
und Richard dem Papste die Wahlprotokolle vorgelegt?), und nunmehr wird neben der 
Prüfung der Person auch auf den Nachweis der GesetzmäBigkeit des Wahlaktes grôBe- 
rer Wert gelegt. Die Kurfürsten erkennen diesen wachsenden päpstlichen Einfluß 
durch einen Willebrief von 12793) an, der freilich in der päpstlichen Kanzlei aufgesetzt 
worden war; für die Rechtsverbindlichkeit der Wahl haben sie schon vorher die Appro- 
bation und Konfirmation durch. den Papst als unerläßlich erklärt. Da geht Bonifatius 
VIII. noch einen Schritt weiter und verkündet: die Wahl berechtigt noch nicht zur 
Führung des Kônigstitels und zu einer Regierungshandlung, sie ist nur ein Anrecht 
auf die pápstliche Approbation. Als Ludwig der Bayer in Italien Reichsrechte geltend 
machte und so in Konflikt mit dem Papste geraten war, hat Johann X XII. diese 
Sätze tatsächlich zu verwirklichen gesucht und in einer Reihe von Prozessen gegen 
den Kaiser in Anwendung gebracht. Aber der Bogen war zu straff gespannt, und so 
entsteht jetzt die Reaktion der Kurfürsten, Jetzt erklären sie in Rense, daß die Wahl 
der Kurfürsten allein das Recht auf die Regierung gebe. 
C. Die sechs oder sieben Wahlfürsten. 
Um die Entstehung des Kollegs der sechs oder sieben Wahlfürsten uns ver- 
ständlich zu machen, müssen wir scharf die Veränderung ins Auge fassen, die mit dem 
Wahlmodus des 11. Jhs. sich vollzogen hat. Wir kennen den alten Modus hinsichtlich 
der Wahl Konrads II. aus Wipo und hinsichtlich der Wahl Rudolfs von Rheinfelden 
1077 aus BERTHOLDS Chronik, nämlich: zuerst Abstimmung der geistlichen Fürsten, 
dann der weltlichen nach regna; ein Vorstimmrecht des Mainzer Erzbischofs vor allen 
anderen, eine erste Stimmabgabe des fränkischen Herzogs unter den weltlichen Für- 
sten. Die charakteristische Änderung, die im 13. Jh. vorliegt, ist die, daß die Masse 
der geistlichen Fürsten von den drei rheinischen Erzbischöfen abgetrennt wird und 
vor ihnen einzelne weltliche Wähler eingeschoben werden.) 
Ein solches Überwiegen einzelner ist nur an der Hand der faktischen historischen 
Vorgänge zu erklären. Zu dem schon zu Konrads II. Zeit bestehenden Vorrechte 
des Mainzer Erzbischofs kam zuerst ein solehes seines Kólner Kollegen hinzu, als 
dieser das. Krónungsrecht und das Erzkanzleramt für Italien erhielt und so nächst 
dem Wahlleiter alle Fürsten des Reiches an Ansehen überragte. Zu Ende des 12. Jhs. 
erhält er das Vorrecht, in Abwesenheit des Mainzers den Wahltag zu berufen, aber 
nieht allein, sondern in Gemeinschaft mit dem Trierer. So tritt der Trierer als dritter 
bevorrechtigter Fürst auf, und zwar ehe er ein Kanzleramt hatte und ohne bei der Kró- 
nung selbst eine besondere Rolle zu spielen.) Sein Eintreten in den Kreis der Haupt- 
1) Die Defekte zählt Alexander IV. auf i. J. 1256, 28. Juli. MG. Epistulae s. XIII 3, S. 3971. 
Vgl. auch K. HaMwPE, Geschichte Konradins. S. 13f. 
2) Enthalten im Brief Urbans IV. an Kónig Richard: Qui coelum 1963, 27. Aug. MG. Con- 
stitutiones 2, S. 522. Die Auffassung der beiden Kónige ist ganz verschieden. 
3) LÜNIG, Reichsarchiv VII 3, 7. Faksimile bei KALTENBRUNNER, MIÓG. Ergbd.1 S. 379. 
M. KRAMMER S. 25 Anm. 1. 
; 4) O. HARNACK aaO. S. 14f. Brocu (Staufische Kaiserwahlen, S. 310) nimmt an, daB das 
Vorwahlrecht weltlicher Fürsten vor geistlichen bei der Halberstádter Wahl 1908 bekannt gewesen 
und nach 1152 durch ein Reichsgesetz eingeführt sei. BucuwxR (Erzümter, S. 283f. und 290) erhebt 
dagegen Bedenken und gibt auch die Möglichkeit der Erklärung TANNERTS (aaO. S. 6) zu, „daß das 
Wesen des Vorstimmrechts in einem Vorrang innerhalb der beiden Fürstenklassen“ beruhe. In seiner 
spáteren Schrift ,,Deutsche Kónigswahlen" (S. 38 Anm. 2, S. 58 Anm. 5) tritt BUCHNER ganz der 
Auffassung TANNERTS bei. 
5) HuGELMANN 8. 163 legt der Beteiligung des Trierers an der Krönung 1138 größeren Wert bei. 
S. auch u. S. 162 Anm. 1. 
     
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
   
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
   
  
     
    
     
    
      
	        
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