Full text: Deutsche Verfassungsgeschichte von den Anfängen bis ins 15. Jahrhundert (2. Reihe, Abteilung 3)

   
     
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
    
  
   
  
   
    
    
    
    
   
   
    
    
   
    
     
    
   
   
    
   
   
   
     
160 Aloys Meister: Deutsche Verfassungsgeschichte des Mittelalters usw. 
genen Wahlberichten die Auffassung wiedergegeben, daß die Siebenzahl undenklich 
alt sei.! 
2 hat sich durch Macht und Ansehen einerseits, durch bestimmte politische 
Verhältnisse andererseits aus dem jüngeren Reichsfürstenstand noch ein aussehlieB- 
licher Wählerkreis gewissermaßen als besondere Fürstenaristokratie hervorgehoben. 
Jedenfalls ist diese Bevorzugung ein historisches Produkt allmáühlicher Entwicklung, 
nicht durch einen fórmlichen Einsetzungsakt geschaffen. Aber auch nicht eine einzige 
allen gemeinsame, einheitlich treibende Kraft hat zu dem besonderen Kurrecht ge- 
führt, wie sie die früheren Erklürer entweder im Erzamt oder im Stammesherzogtum 
oder in einem anderen Grund gesucht hatten; sondern bei dem einen hat dieser, bei 
dem anderen jener Faktor mitgewirkt, die zu Beginn des 13. Jhs. tatsächlich einfluß- 
reichsten Mitglieder des jüngeren Reichsfürstenstandes vor anderen als die ersten an 
der Kur hervortreten zu lassen. Das bloBe Zustimmrecht der anderen Fürsten verlor 
gegenüber diesem Hauptwahlrecht immer mehr an Bedeutung, bis es schließlich als 
unwesentlich ganz wegfiel und das Hauptwahlrecht auf solchem Wege in alleiniges 
Wahlrecht sich verwandelte. 
Zu dieser Weiterentwicklung trug viel das fremde Recht bei und das Bedürfnis 
nach einem festen Wahlverfahren, das zu unanfechtbaren Wahlen führen sollte, 
D. Die Entwicklung des Kurkollegs zu einem Reichsrat. 
Die Goldene Bulle. 
K. LAMPRECHT, Die Entstehung der Willebriefe und die Revindikation des Reichsgutes unter 
Rudolf von Habsburg. Zur Vorgeschichte des Consensrechtes der Kurfürsten. FDG. 21. 23. J. 
FroxEr, Fürstliche Willebriefe und Mitbesiegelungen. MIÓG. 3. K. Fr. ErcHHOoRN, Über den Kur- 
verein. Abh. Berl. Ak. 1844. J. Frc&En, Zur Geschichte des Kurvereins zu Rense. NA. 18. K. Hónr- 
BAUM, Der Kuryerein zu Rense 1338. Abh. Gottingen. Ges. d. Wiss. 1903. Tw. LINDNER, Der Binger 
Kurverein. MIOG. 13. O. HEvzm, Der Binger Kurverein. Z. f. Gw. 8. E. BRANDENBURG, Der 
Binger Kurverein in seiner verfassungsgeschichtlichen Bedeutung. Z. f. Gw.11. O. HARNACK, Kur- 
fürstenkollegium (s. o.), S. 119f. HExusLER, Víg., S. 208f. 210, 232. 
Wie das allgemeine Wahlrecht der Fürsten zu einem alleinigen Wahlrecht der 
Kurfürsten geführt hat, so ist auch das allgemeine Zustimmungsrecht der Fürsten zu 
wichtigen Reichshandlungen eingeschränkt worden zu einem Sonderrecht dieser ersten 
Reichsfürsten. Es ist dies ein oft zu beobachtender ProzeB mittelalterlicher Entwick- 
lung, genossenschaftliche Einrichtungen verdichten sich zu korporativen Sonderorgani- 
sationen und die Körperschaft wächst über die Genossenschaft hinaus, Eine staatsrecht- 
liche Neuerung ist demnach die Einrichtung des Kurfürstenkonsenses nicht, sondern 
nur die Form ist neu. Früher wurde die Zustimmung der Fürsten in der königlichen 
Urkunde miterwähnt oder durch ihre Mitbesiegelung zum Ausdruck gebracht; jetzt 
dagegen stellen die Kurfürsten eigene Konsensurkunden, Willebriefe, aus. Es begegnet 
uns dieser Gebrauch zuerst unter Rudolf von Habsburg, und er hängt wohl mit der 
allgemeinen Vermehrung des schriftlichen Geschäftsverkehrs zusammen. 
Politische Notwendigkeit war es für Rudolf, in wichtigen Maßregeln die neue 
Fürstenaristokratie zu befragen. Das Kurfürstentum war gerade in der Zeit erstarkt 
und von den übrigen Fürsten und dem Papste anerkannt worden, in der die königliche 
Gewalt am tiefsten daniederlag. Wollte Rudolf das Königtum wieder zu Ansehen brin- 
  
den Kür unde ist des riches schenke.“ Dagegen J. FicKER, Über die Entstehungszeit des Sachsen- 
spiegels und die Ableitung des Schwabenspiegels aus dem Deutschenspiegel. 1859. S.121£. Jetzt: 
M. BUCHNER, Entstehung des Kurfürstenspruchs, S. 934f. — Über das bóhmische Schenkenamt 
vgl. O. LoRENz aa0. BUCHNER aaO. S. 2251.; Derselbe, Deutsche Konigswahlen, S. 190. 1311. 
1) S. o. 8. 119 Anm. 4. Die àlteste bildnerische Darstellung der Siebenzahl findet sich an der 
Fassade des von Richard v. Cornwallis in Aachen erbauten Rathauses, zugleich eines der ültesten 
Zeugnisse für die Siebenzahl der Kurfürsten. 
  
	        
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