162 Aloys Meister: Deutsche Verfassungsgeschichte des Mittelalters usw.
barkeit des Wahlergebnisses; deshalb wurde die ungerade Siebenzahl anerkannt, die
Majoritätswahl festgesetzt, die Unteilbarkeit der Kurlande bestimmt und die Anord-
nung getroffen, daß die Kurstimme und alle anderen kurfürstlichen Rechte nur von
einem Inhaber des Kurlandes ausgeübt werden dürften. In weltlichen Kurfürsten-
tümern sollte Erbfolge nach dem Rechte der Erstgeburt eintreten unter Ausschluß
von solchen, die den geistlichen Stand erwählt hatten. Beim Aussterben eines Kur-
hauses sollte das Kurland als Reichslehen dem Kaiser anheimfallen und ihm Recht
und Pflicht der Neuverleihung wie bei Lehen zustehen. Der Mainzer Kurfürst erhielt
das Sonderrecht der Berufung des Wahltages; er wurde jedoch verpflichtet, als Wahl-
ort stets Frankfurt a. M. zu bestimmen, und zwar innerhalb eines Monats nach Be-
kanntwerden der Thronvakanz. Tat er das nicht, so sollten die Kurfürsten auch ohne
seine Einberufung in Frankfurt zur Neuwahl zusammentreten können. Der Mainzer
Kurfürst mußte in seinen Ausschreiben einen Tag nennen, bis zu dem die Schreiben
voraussichtlich in Händen aller Kurfürsten waren; genau drei Wochen nach diesem
Tage sollte die Wahl in Frankfurt in der Bartholomäuskirche mit der Messe de sancto
spiritu beginnen. Eine ausführliche Geleitsordnung sorgte für Sicherheit der anreisen-
den Kurfürsten, wührend für die Dauer des Wahltages die nótigen Garantien die
Stadt Frankfurt selbst übernahm. Vor der Abstimmung wurde von den gesamten
Kurfürsten ein Eid geschworen, daß sie unbeeinflußt durch Versprechungen, ohne
Rücksicht auf Vorteile, nur in Ansehen der Tüchtigkeit des Kandidaten wählen
wollten. Der Trierer Kurfürst stimmte zuerst!), dann der Kölner; darauf stimmten
die weltlichen Kurfürsten in der Reihenfolge Böhmen, Pfalz, Sachsen, Brandenburg
und zuletzt Mainz.?) Die Versetzung des Mainzers von der ersten Stelle auf die letzte
ist wohl nicht als eine Niederlage des Mainzers aufzufassen, sondern ist eine natür-
liche Folge des neueingeführten Mehrheitsprinzips. Mainz behielt dadurch die wich-
tigste Stimme, die die Entscheidung brachte.) Der Mainzer hatte das Recht, die
Stimmen abzufragen. Die Stimme durfte auch durch einen Bevollmüchtigten abge-
geben werden unter genauer Einhaltung eines bestimmten Formulars; Übertragung
der Stimme auf einen anderen Kurfürsten war nicht vorgesehen. Es war erlaubt,
daß ein Kurfürst sich selbst die Stimme gab. Der durch die Majorität Gewählte hatte
als erste Regierungshandlung mit königlichem Siegel sogleich die Privilegien der
einzelnen Kurfürsten zu bestätigen, wodurch kundgetan war, daß die Wahl allein, ohne
vorherige Krönung, schon zur Ausübung der Regierung befähigte. Der Gewählte galt
als rex in imperatorem promovendus, er hatte also durch die Wahl den Anspruch
auf die Kaiserwürde.^)
1) Trier hat dieses Erststimmrecht zum erstenmal bei der Wahl Karls IV. 1346 ausgeübt.
RE Goldene Bulle I, 216f.; U. Sruvz, Der Mainzer Erzbischof u. die deutsche Kônigswahl.
S. 90f.
2) Der Kurspruch eines Elektors im Namen der anderen ist vielleicht nicht in Wegfall ge-
kommen, wie noch ZEUMER aaO. angenommen hatte, sondern, wozu auch jetzt U. SruTz, ZSavRg. 31,
1910, S. 451, auf BRESSLAU gestützt neigt, er ist zur Publikation der Wahl umgebildet worden und
blieb so bestehen. Die Publikationsformel heiBt bei Karl VI.: »Wir... Erzbischof von Mainz in
Kraft und Gewalt, uns von unseren anderen Mitkurfürsten gegeben, ... erwählen, verkündigen und
denuntiüiren ...5; ohne die beiden letzten W orte, die hinzugekommen sind, hätten wir die Formel
der electio per unum.
; 3) Eine abweichende Ansicht S. RrgTSCHELS teilt U. Srurz, ZSavRg. 31, 1910, S. 453, mit.
RIETSCHEL macht geltend, daß man dem Trierer das Erststimmrecht gegeben habe, weil er der Un-
gefährlichste gewesen sei, der Mainzer habe als Leiter der Wahl, der Kölner als krönender Kurfürst
„gefährlichen Mißbrauch mit diesem Recht treiben‘ können.
4) Die Constitutio „Licet iuris vom Frankfurter Reichstag 1338 (abgedruckt bei ALTMANN-
BERNHEIM aa0. S.54) hatte bestimmt, daß die Königswahl schon die plenitudo imperialis
potestatis erteile. Diese Bestimmung ist aus der damaligen Opposition gegen den Papst zu erklären,
praktische Wirkung hat sie nicht gehabt, und durch obige Erklärung der Goldenen Bulle wird sie
grundsätzlich wieder aufgehoben.