Full text: Deutsche Verfassungsgeschichte von den Anfängen bis ins 15. Jahrhundert (2. Reihe, Abteilung 3)

   
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Territorialbildung. Allodialherrschaften 163 
Bezüglich der Teilnahme der Kurfürsten an der Reichsregierung waren regel- 
mäßige Kurfürstentage eingesetzt worden.!) Alljáhrlich vier Wochen nach Ostern soll- 
ten die Kurfürsten in einer vom Kaiser jedesmal zu bezeichnenden Stadt zusammen- 
treten, um über das Heil des Reiches zu beratschlagen. Es würe einem periodisch zu- 
sammentretenden Reichsrat gleichgekommen, wenn diese Bestimmung verwirklicht 
worden würe. Die Kurfürsten werden des weiteren in der Goldenen Bulle als das Fun- 
dament und die S&ulen des Reiches bezeichnet, es wird ihnen die Unverletzlichkeit zu- 
gebilligt, der erbliche Besitz der Erzümter wird ihnen verbrieft, Ehrenrechte und Rang- 
ordnung und Zeremoniell festgelegt, — kurz, sie erscheinen als ein ganz besonders be- 
vorrechteter Kronrat, wenn auch von den Willebriefen nicht eigens die Rede ist. 
2. Die Anfünge der Territorialbildung. 
J. BERCHTOLD, Die Entwicklung der Landeshoheit in Deutschland. 1. (einziger) Teil (bis 
1220) 1863. R. FESTER, Markgraf Bernhard I. und die Anfinge des badischen Territorialstaates. 
1896. H. FenR, Die Entstehung der Landeshoheit im Breisgau. 1904. U. Stutz, Das habsburgische 
Inventar und die Anfinge der Landeshoheit. ZSavRg. 25. 1904. A. Hauck, Die Entstehung der 
geistl. Territorien. Abh. d. sáchs. Ges. d. W. phil-hist. Kl. 27. 1909. F. KxeNER, Studien zur Ver- 
fassungsgesch. des Territoriums der Bischófe von Straüburg. 1. Die Entstehung der Gebietsherr- 
schaft. 1912. MANFRED STIMMING, Die Entstehung des weltlichen Territoriums des Erzbistums 
Mainz. 1915. F. KxvrGEN, Der deutsche Staat des MA., Kap. 5: Die Landesherrschaft. 1918. H. 
AUBIN, Die Entstehung der Landeshoheit nach niederrheinischen- Quellen, Studien über Grafschaft, 
Immunität und Vogtei. 1920. 
Wie die Grafschaftsverfassung der Karolingerzeit in der Zeit von den Ottonen 
bis zu den Staufern in die Feudalverfassung umgewandelt worden war, so sehen wir 
gegen Ende des MA. wiederum eine Umbildung sich vollziehen, deren Ergebnis das 
Auftreten mehr oder minder selbständiger Gewalten ist. Überall entstehen Herr- 
schaften, kleinere und größere, deren Inhalt zunächst ganz verschiedenartig ist. 
Allmählich entwickelt sich dann eine größere Einheitlichkeit und Gleichartigkeit. 
Die Entstehung dieser Herrschaften hatte LAMPRECHT versucht aus der Grund- 
herrlichkeit zu erklären. Es steht indessen heute fest, daß dieser Versuch mißglückt 
ist, und daß nicht in der Grundherrschaft die Wurzel der Herrschaftsgewalt dieser 
neuen Herrn liegt, sondern in ihrer Eigenschaft als Inhaber der Gerichtsgewalt. 
Sie treten nicht plötzlich in fertiger Machtfülle uns entgegen, nicht durch einen 
Willensakt oder durch eine gesetzgeberische Maßnahme, auch nicht durch ein ge- 
schichtliches Ereignis hervorgerufen; sondern durch eine jahrhundertelange Ent- 
wicklung hat sich ihre Stellung so sehr verändert, daß sie schließlich mit einem ganz 
anderen Umfang von Rechten in die Erscheinung treten, als wie sie ihnen ursprüng- 
lich zu eigen waren. Wir müssen aber gerade nach dem Umfang der erlangten Be- 
fugnisse schließlich zwei Gruppen von Befehlsherrn unterscheiden: solche, die es 
zur vollen Landesherrschaft gebracht haben: die Territorialherrn, und solche, die 
eine nur unvollkommene, meist auch räumlich kleinere Herrschaft erreicht haben: 
die Dynasten oder Allodialherrn. 
Auch diese kleineren Herrschaften gehen oft auf sehr alte Verhältnisse zurück, 
auf „Zwing und Bann‘ eines Herrn im kleinen Kreise. Über seinen ursprünglichen 
Grundbesitz hinaus wird er der Herr eines Dorfes. Er gewinnt die Obermárkerschaft, 
und diese Obermürkerstellung verhilft ihm zur Herrschaft in der Gemarkung. Er 
gewinnt die niedere Gerichtsbarkeit, und sie liefert ihm das Mittel, seine Herrschaft 
auf eine einheitliche Grundlage zu stellen. Man mag diese Herrschaften Allodial- 
herrschaften nennen, weil sie vom Allod, dem Stammgut mit dem Burgsitz, ausgehen 
und sieh über diesen Kern hinaus nicht allzuweit entfernen. Ein soleher Dynast be- 
sibzb meist auf Grund einer Eigenkirche das aus dem Eigenkirchenrecht herstam- 
1) Goldene Bulle c. 12. 
    
   
    
  
  
  
  
  
  
  
   
   
     
        
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
	        
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