Weltliche Territorien
bauen. Streubesitz hat in dieser Beziehung wenig zu bedeuten; aber eine abgerundete
geschlossene Besitzmasse verleiht Macht und Ansehen und liefert einen festen Grund-
stock zur unmittelbaren Verfügung des Herrn.
Die Grafschaft ist somit der eigentliche Kern des Territoriums; an sie setzt
sich die Weiterbildung an. Und da die Markgrafschaft von Anfang an selbständiger
gestellt ist, so beginnt hier auch diese Entwicklung unter besonders günstigen Um-
ständen.!)
Zunächst die weltlichen Territorien gewinnen durch das Mittel der Vogtei Er-
satz für die der Grafschaft früher durch Immunitätsverleihungen entzogenen Gebiete.
Die Territorialherrn lassen sich die Vogtei über Immunitätsbezirke übertragen und
führen sie so ihrer Herrschaft wieder zu. Die exemten Immunitätsbezirke innerhalb
der Grafschaft werden auf diese Weise wieder mit ihr verbunden.
Erwerb und Einziehung von Lehen ist ein weiteres Mittel, das Territorium zu
vergrößern. Die weltlichen Herrn lassen sich von geistlichen Fürsten Lehen über-
tragen gegen das Versprechen, sie zu schützen. Diese Lehen geben sie dann nicht
wieder heraus. Auf dem Wege des Erbrechts gehen solche Lehen dauernd an sie über.
Haben weltliche Fürsten selbst früher Lehen vergeben, so suchen sie sie jetzt zur
Abrundung des Territoriums einzuziehen.
Des weiteren ordnen sich die Territorialherrn nach Möglichkeit die Allodial-
herrschaften in ihrem Gebiet unter. Es gelingt ihnen in den meisten Fällen, die nach
eigener Landeshoheit strebenden Dynasten niederzuhalten und nicht zur Hochgerichts-
barkeit und damit zur Landesherrschaft gelangen zu lassen. Durch Aussterben der
Herrscherfamilie sind dann viele Allodialherrschaften an die Landesherrn gefallen. Aber
auch mit Gewalt und durch die natürliche Auswirkung der Macht sind solche kleine
Herrschaften dem Territorium der ausgreifenden Landesherrn vielfach eingefügt wor-
den. Das geschah oft mit Hilfe des Lehnswesens. Der Landesherr ließ sich die Burg
des Allodialherrn auftragen, und dieser erhielt sie dann als Lehen zurück, belastet mit
der Öffnungspflicht. Das Offenrecht an einer Burg ist ein Vorbereitungsakt zur Ge-
winnung der landesherrlichen Gewalt über sie. Zusammen mit der Burg wird dann
auch die damit verbundene Herrschaft und Gerichtsbarkeit zu Lehen, und auf diese
Weise mit der Landesherrschaft in Verbindung gebracht. Es hängt dann ganz von
der Kraft der einzelnen Dynastengeschlechter ab, ob sie eine gewisse Selbständig-
keit ihrer Stellung sich noch zu wahren wissen, oder ob sie in dem Aufsaugungs-
prozeß des Territoriums untergehen.
Zu diesen Hauptbestandteilen im Aufbau des Territoriums: Grafschaft, Grund-
besitz, Vogtei, Lehen und Allodialherrschaften treten im Einzelfalle noch besonders
geartete Erwerbungen hinzu, und zwar durch Erbfall, Ankauf oder Austausch.
Verschiedenartige Gerichte, Obermärkerschaft, Waldgrafschaft und andere Rechts-
bezirke werden hinzuerworben. Es setzt vielfach eine bewuBte Abrundungspolitik
ein, wobei die Gewinnung von manoherlei Arten von Lehen und von Grundbesitz
eine bevorzugte Rolle spielen. Die Erwerbsart ist jedoch neben der friedlichen auch
öfter die gewalttätige durch Fehde und Krieg.
Wir haben bisher den Normalfall vorausgesetzt, daß sich an die alte Grafschaft
die landesherrliche Territorialbildung ansetzt, daB, mit anderen Worten, Herzog-
tümer, Markgrafschaften, Grafschaften zu territorialen Landesherrschaften werden.
Es ist aber auch vorgekommen, daß der alte Grafschaftsverband ganz aufgelöst wurde,
und aus den Teilen durch verschiedenartigen Zusammenschluß wieder neue Gebilde
entstanden. Für solche Fälle der Neugestaltung aus Zersplitterung gibt es keine
1) S. o. S. 1221.