Full text: Deutsche Verfassungsgeschichte von den Anfängen bis ins 15. Jahrhundert (2. Reihe, Abteilung 3)

   
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Geistliche Territorien 
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tung für die Territorialbildung gehabt als beim weltlichen Fürstentum. Der Grund- 
besitz mußte dem drohenden Verlust der Gerichtsherrschaft ein Gegengewicht bieten. 
Da, wo ein größerer Güterkomplex zusammenlag, der in Eigenwirtschaft verwaltet 
wurde, vermochte der weltliche Lehnsträger der Immunitätsvogtei die übrigen herr- 
schaftlichen Beziehungen des geistlichen Fürsten zu diesem Grundeigentum nicht 
auszuschalten. Hier verlor sich nicht das Bewußtsein, daß der geistliche Fürst der 
eigentliche Herr sei. Hier konnte der Lehnsvogt leichter in der ihm zukommenden 
Stellung festgehalten werden, in der er nur ausübendes Organ des geistlichen Fürsten 
als des eigentlichen Gerichtsherrn war. 
Das Schwergewicht des Grundeigentums macht sich auch dadurch geltend, 
daß bedeutendere Gütermassen meist die Veranlassung wurden zur Gewinnung der 
Landesherrschaft über den Umkreis. Die Gerichtsherrschaft folgt in diesem Falle 
der Grundherrschaft nach. Der Bau einer Burg!) ist nicht nur ein äußeres Zeichen 
der Macht des geistlichen Fürsten über den umliegenden Bezirk, er ist meist auch der 
Anfang einer intensiveren Verwaltung. 
Aber anderseits geht gerade auch Grundeigentum den geistlichen Fürsten viel- 
fach verloren. Sie brauchten Vassallen für den Reichsdienst und für den Landesschutz. 
Diese konnten sie nur gewinnen durch Hingabe von Eigengut zu Lehen. Geistliche 
Fürsten stützten ihre ganze Macht auf Vassallen, ihr Ansehen beruhte auf deren Zahl 
und Stärke.?) Da mußte manches Stück Grundeigentum geopfert werden, um diese 
Vassallen zu befriedigen. 
Geistliche Territorien erhalten einen wichtigen Zuwachs durch den Anfall von 
Eigenkirchen. Die Reformbewegung des 11. und 12. Jhs. hat viele weltliche Be- 
sitzer von Eigenkirchen veranlaBt, ihre Eigenkirchen dem Bistum aufzutragen. Wo 
das nicht freiwillig geschah, entbrannte der Kampf zwischen dem Bischof und dem 
Eigenkirchenherrn. Die Eigenkirchen fremder Herren mit ihrem gesamten Grund- 
besitz werden so nach und nach in die Territorialbildung einbezogen. Dazu kamen 
noch Eigenkirchen der Bischôte selbst. Es waren dies Stifte, Klôster und Pfarr- 
kirchen, über die von der Gründung her kraft Eigenkirchenrecht der geistliche Fürst 
unbeschränkt verfügen konnte. Infolgedessen wurde vielfach das dem Territorium zu- 
flieBende Kirchengut der Eigenkirchen wieder als Lehen verwandt und somit auch 
teilweise dem Territorium wieder entfremdet.®) Später haben allerdings kirchliche 
Vorschriften diese Verfügungsfreiheit eingeschränkt. Auch gelang es bei bischöflichen 
Eigenkirchen eher, die weltlichen Vögte zu beseitigen und den Besitz für das Terri- 
torium einzuziehen.^) 
Rein kirchliche Rechte, Diózesanrechte sowie nutzbare Hoheitsrechte, wie 
Markt-, Münz- und Zollrecht, Geleit, Wildbann u. a., die ja zahlreich an geistliche 
Fürsten verliehen wurden, haben bei ihnen wie in der Hand weltlicher Herren für die 
Gestaltung des Territoriums dagegen keine wesentliche Bedeutung gehabt. 
Es hat Jahrhunderte gedauert, bis das Ergebnis einer einheitlichen Gestaltung 
des Territoriums erreicht ist. Es müssen Lehen umgewandelt, Vogteien zurück- 
1) Vgl. FRIEDRICH, Burg und territoriale Grafschaft. Bonn. Diss. 1907. S. 26. SCHRADER, 
Befestigungsrecht. Göttinger Diss. 1909. S. 321£., 108. R. WERNEBURG, Gau, Grafschaft und Herr- 
schaft in Sachsen bis zum Übergang in das Landeskurfürstentum. Göttinger Diss. 1910. S. 54f. 
2) A. Hauck, Entstehung der geistlichen Territorien. 1909. S. 650. — : 
3) M. StiMmING, Die Entstehung des weltlichen Territoriums des Erzbistums Mainz, 1915 
8.149, weist nach, daß Klöster und ihre Besitzungen, die inmitten größerer Mainzer Güterkomplexe 
und Herrschaftsbezirke lagen, im Mainzer Territorium aufgingen, dagegen solche, die im Machtbereich 
fremder Herrschaften sich befanden, eher dem Mainzer Territorium verloren gingen. : 
4) Manchmal war es allerdings auch schon zu spit, da die Vogte auf Eigenkirchengut erblich 
geworden waren. Dann setzt auch hier ein Kampf ein gegen diese Vögte. 
    
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
    
  
  
   
  
       
	        
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