184 Aloys Meister: Deutsche Verfassungsgeschichte des Mittelalters usw.
sofern er die Grundlage blieb für die Landfriedenserlasse bis 1438. In diesem Jahre
hat Albrecht II. das Fehdewesen, das bisher nur eingeschränkt und in feste Normen
gebracht war, ganz verboten, und außerdem hat er das Reich zur besseren Wahrung
des Landfriedens in vier Kreise einteilen wollen. Indessen Friedrich III. mußte 1442
in der Frankfurter Reformation ein gewisses beschränktes Fehderecht wieder zugeben.
Neue Landfriedensverkündigungen folgten, so 1467 auf fünf Jahre, 1474 auf zehn J ahre,
bis endlich 1495 ein ewiger Landfriede aufgerichtet wurde.
Die Bezirke, die bei diesen Landfriedenserlassen zur besseren Handhabung des
Friedensgesetzes und zur Bestrafung des Friedbruches eingerichtet wurden, sind für
die späteren Reichskreise vorbildlich geworden. Solche Landfriedensbezirke waren El-
saß, Thüringen, Sachsen, Westfalen, Niederrhein u. a. Ein jeder derartige Bezirk war
einem Landfriedenshauptmann, advocatus provincialis, als iudex generalis unterstellt,
den der Kónig ernannte. Anfangs wurde dazu stets ein Fürst bestimmt, seit dem Ende
des 13. Jhs. zog das Kónigtum jedoch vor, die Reichslandvógte für diese Stellung zu
verwenden. Dem Landfriedenshauptmann standen mehrere (5—15) Beisitzer zur Seite,
die als Friedensrichter (iudices pacis, conservatores pacis) im Landfriedensgericht fun-
gierten.
Die freiwilligen Landfriedensbündnisse setzten an Stelle der durchs Reich ge-
schaffenen Friedensbezirke das Gebiet ihrer Mitglieder. Sie richteten für die Dauer
des Bündnisses Ausschüsse ein mit festbestimmten Bezirken, in denen diese Ausschüsse
das Friedensgericht bildeten und die zur Wahrung des Landfriedens nötigen Anord-
nungen trafen.
In den sich konsolidierenden Territorialstaaten tritt die Landfriedensgesetzgebung des Landes-
herrn allmählich an die Stelle derjenigen des Reiches. Auch entstehen dort Landfriedensvereinigungen
für das Gebiet eines Territoriums. Ebenso werden dann analoge Ausschüsse auf territorialer Grund-
lage gebildet.
5. Die Landgerichte.
STOBBE, Die Gerichtsverfassung des Sachsenspiegels. Z. f. D. R. Bd. 15, S. 821f. Hknor»,
Gogerichte und Freigerichte in Westfalen, in Beyerles Deutschrechtl. Beiträgen, Bd. 2. v. WROCHEM,
Der Schultheiß in der Gerichtsverfassung des Sachsenspiegels. Ebenda. E. MEISTER, Ostfilische
Gerichtsverfassung im MA. 1912. Somwrrz, Das Gogericht im Herzogtum Westfalen, in Z. f. vaterl.
Gesch u. Altertumskunde. Bd.59. Frmz, Fürst und Graf im Sachsenspiegel. B. d. sáchs. Ges. d.
W. Bd. 58. 1906.
Bis in den Anfang des 13. Jhs. hielt im wesentlichen die Grundlage vor, die für
die óffentliche Geriehtsverfassung in der Karolingerzeit gelegt worden war. Allerdings
sind ja die Einrichtungen Karls nicht überall gleichmäßig eingeführt worden. So war
bei den Alamannen und Bayern das Institut der Schöffen nicht eingedrungen, Statt
ihrer wurde für jede Tagung des Ding ein Ausschuß von „Vorstehern des Rechts‘ ein-
gesetzt, dessen Mitglieder als Beisitzer oder „Richter“ bezeichnet werden. Im Gebiet
des Sachsenstammes hat das Schöffentum keinen Eingang in den Gogerichten ge-
funden.
Nach frünkischem Muster bestand im allgemeinen eine Zweiteilung des óffent-
lichen Gerichtes im Landrecht: echtes Ding und gebotenes Ding. Das echte, unge-
botene Ding am echten Dingort in der echten Dingfrist von 6 zu 6 Wochen unter dem
Vorsitz des Grafen war Hochgericht; das gebotene Ding, in dem der Graf durch den
Zentenar (Schultheif) im Vorsitz vertreten werden konnte, war Niedergericht.
Im Geltungsgebiet des Saehsenspiegels aber hat sich eine Dreiteilung des Ge-
richtswesens herausgestellt : echtes Ding unter Kónigsbann an echter Dingstátte, Gra-
fengericht ohne Kónigsbann alle 14 Nächte ohne Bindung an echten Dingort (gebote-
nes Ding) und die Niedergerichte: Gogerieht, SchultheiBengericht. Das echte Ding un-
terscheidet sich von dem gebotenen Grafending durch die Zuständigkeit in Konigs-
bannsachen und durch die allgemeine einerseits, die beschränkte Dinggemeinde an-