190 Aloys Meister: Deutsche Verfassungsgeschichte des Mittelalters usw.
gerichte, nicht nur über diejenigen seines Herzogtums, die Oberaufsicht und das Recht,
den Königsbann zu vergeben. Dietrich v. Mörs suchte eine straffere Organisation den
Freigerichten zu geben, indem er mit kaiserlicher Ermächtigung Versammlungen der
Freigrafen, sogenannte Kapitelstage berief. Auf diesen ließ er durch Weistümer für
eine Anzahl Fragen das Vemerecht feststellen. Er verbot, eine Sache an mehreren Stüh-
len zugleich anhängig zu machen, und er suchte eine Art Berufungsinstanz einzurich-
ten, indem er sein Freigericht zu Arnsberg zum Hauptstuhl erhob. Er hatte jedoch nur
bezüglich der Freigrafen des Herzogtums Westfalen Erfolg.
Die Kaiser Ruprecht und Sigismund haben die Vemgerichte sehr gestiitzt.!)
Unter ihnen hatten sie ihre höchste Blüte als königliche Freigerichte. Ihre angesehene
Stellung veranlaßte sie jedoch zu Übergriffen mancherlei Art. Den Kaiser Friedrich III.,
der nicht Freischöffe geworden war, haben sie sogar vor ihren Richterstuhl ge-
laden und ihm bei Ungehorsam mit der Vervemung gedroht. Die Folge ihrer An-
maßungen war die Reaktion der Landesherren und der Städte gegen sie.?) Königliche
Exemtionsprivilegien, die ablehnende Haltung der Kaiser?) halfen dann, den Fall der
Vemgerichte zu beschleunigen. Seit Ende des 15. Jhs. sind sie wieder auf ihr Ur-
sprungsland, Westfalen, besehránkt und weiterem Verfalle überlassen.*)
6. Militürwesen.
W. F. v. MÜLINEN, Geschichte der schweizer Sóldner bis zur Errichtung der ersten stehen-
den Garde 1497. 1887. H. Frscuzn, Die Teilnahme der Reichsstüdte an der Reichsheerfahrt vom
Interregnum bis zum Ausgang Karls IV. Leipzig. Diss. 1884. W. ERBEN, Zur Geschichte des Oster-
reichischen Kriegswesens im 15. Jh. Mitteilungen des k. k. Heeresmuseums. H. 2. K. SPANNAGEL,
Zur Geschichte des deutschen Heerwesens. Leipzig. Diss. 1885.
Das Militárwesen, das lange Zeit hindurch ganz auf dem Lehnswesen beruht
hatte, muDte Zeichen des Verfalls aufweisen, als das Lehnswesen selbst zu verfallen
begann. Als die Lehnspflieht zur bloBen Form herabsauk, das Lehnsrecht keine wirk-
same Handhabe mehr bot, verlor das Kriegswesen seine frühere Grundlage. Die
vassallitische Kriegspflicht, die auf der Treue gegenüber dem Lehnsherrn begründet
war, wurde schon von dem Augenblick an in Frage gestellt, wo ein Vassall Lehns-
pflichten auch gegenüber einem oder mehreren anderen übernahm. Seine Kriegs-
leistung als Vassall konnte dadurch in die schwersten Konflikte kommen. Und das
ist auch tatsächlich oft der Fall gewesen. Man wird sich wohl im Einzelfalle mit be-
sonders vereinbarter Beschränkung der Kriegsfolge geholfen haben, aber auch damit
waren die Widersprüche, die sich im Treu- und Dienstverhältnis ergaben, nicht be-
seitigt. Das militärische Pflichtgefühl mußte unter solchen Doppelbeziehungen ver-
flachen oder in inneren Widerspruch geraten, wenn es im Lehen seine alleinige Wur-
zel fand.
Deshalb trat schon seit dem 14. Jh. der bloD zeitlich und auch zuweilen in sei-
nem Zweck begrenzte Kriegsdienstvertrag an seine Stelle. Das geschah anfangs noch
in der Form des Lehens, schlieDlich aber mit der Ausbreitung der Geldwirtschaft
liuft diese Entwicklung auf ein Soldwesen hinaus.
1) Sigmund erklärte die Exemtion von Freigerichten als unzulüssig, da es kaiserliche Ge-
richte seien.
2) Sie pachteten oder kauften von verarmten Stuhlherren Freistühle und benutzten nun
diese Stühle, um an ihnen zum Schutze ihrer Untertanen Widerklage gegen das Urteil anderer Frei-
stühle zu erheben und dadurch deren Tätigkeit lahmzulegen.
3) Friedrich III. suchte das königliche Hofgericht als Berufungsgericht den Freigerichten
überzuordnen; die Reichsreformen von 1495 brachten ebenfalls Einschränkung der Veme.
4) Der letzte Oberfreigraf von Arnsberg, Rechtsanwalt Engelhardt in Werl, starb 1830. :