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16 Aloys Meister: Deutsche Verfassungsgeschichte des Mittelalters usw.
3. Neuerdings hat Frhr. v. SCHWERIN!) eine auf den ersten Blick bestechende Auf-
fassung geltend gemacht, die nämlich, daß es sich bei der Hundertschaft gar nicht um
die 100-Zahl handle, sondern um eine Menge. Diese Mengentheorie stützt sich auf eine
Worterklärung, die sich jedoch philologisch nicht aufrechthalten ließ. Trotzdem scheint
mir v. SCHWERIN im Kern nicht unrecht zu haben, wenn er die sog. Hundertschaft
als das „Niederlassungsgebiet eines unbestimmt groDen wandernden Haufens" erklárt.
Auch ich bin der Ansicht, daB die Hundertzahl bei der Ansiedelung keine Rolle
gpielte, weder eine personale noch eine territoriale. Der unterste politische Bezirk war
der Niederlassungsbezirk eines Siedelungshaufens, bestehend aus einer oder mehreren
Sippen. Bei den Franken benannte man entweder diesen Bezirk selbst oder aber eine
zu Polizeizwecken vorgenommene Abgrenzung mit der lateinischen Bezeichnung
centena, den Vorsteher mit centenarius. Mit dem Vordringen der fränkischen Einrich-
tungen ist diese Benennung den Alamannen zugetragen worden; sie übersetzten sie
durch hundari und benannten damit ihre Sippenbezirke.?) Ähnlich dürften bei den
Schweden und Angelsachsen spätere Bildungen oder Namensübertragungen anzu-
nehmen sein, zumal da die dortigen Bezeichnungen huntari und hundred erst ziemlich
spät in den Quellen auftreten. Es ist aber nicht einmal gelungen, die fränkische Ein-
richtung oder Bezeichnung überall im ganzen fränkischen Reiche einzubürgern, und zwar
deshalb nicht, weil öfters völlig ausreichende, auf die Sippensiedelung zurückgehende an-
dere Verbände und Namen vorhanden waren, wie Go bei den Sachsen, Del bei den Friesen.
Ebenso hat es eine territoriale Tausendschaftnicht gegeben.?) Die Tausend-
schaft, die seit W. SrcxELs Arbeiten vielfach als ursprüngliche Einteilung gegolten
hat und als solche in das Lehrbuch von ScHRöDER*) und in die Rechtsgeschichte von.
BRUNNER?) übernommen ist, 1äßt sich als politischer und territorialer Verband nicht
nachweisen.
b) Das Fürstentum und das Kônigtum.
G. Warrz, Über die principes in der Germania des Tacitus. FDG. II, S. 387. G. BRAUMANN,
Die principes der Gallier und Germanen bei Caesar und Tacitus. Berlin. Progr. 1883. A. WIESSNER,
Zu Prinzipat und Gefolgschaft in der altgerm. Verfassung. DZ. f. Gw. 12. WALTH. SCHULTZE, Prin-
Historische Grundlagen des deutschen Staats. und Rechtslebens 1844) und die ,,100-Sippentheorie",
wonach in der Vólkerwanderung die germanischen Vólker sich in Scharen von je 100 Sippen geteilt
und in dieser Gruppierung sich niedergelassen haben sollen (Vertreter: SIEGEL, Deutsche Rg. 3. Aufl.
S. 168. Ahnlieh v. SvsEr, Entstehung des deutschen Kónigtums, 9. Aufl, S. 78).
1) Frhr. Ci. v. SCHWERIN, Die altgermanische Hundertschaft (Gierkes Untersuchungen
H. 90. 1907). Vgl. auch GIERKE, Genossenschaftsrecht I, S. 41; v. AMIRA, Grundriß des germ.
Rechts®, S. 114; ScHRÖDER, Rg. I°, S. 23; SVEN TUNBERG, Studier rörande Skandinaviens äldsta
politiska indelning 1911 (vgl. ZSavRg. NF. 33, S. 543 ff.). Gegen SCHWERIN äußerten sich S. RIET-
SCHEL, Zur Hundertschaftsfrage, ZSavRg. NF. 30, S. 193; E. Mayrr, HVschr. 1913, S. 54 ff.
2) Vgl. auch die hunria des Mosellandes. RrrrscHEL, VSozWG. 5, S. 3381.
3) Die Hauptstelle, mit der man die territoriale Tausendschaft beweisen wollte, ist Caesar,
Bellum gall. IV, 1 betreffs der Sueben: hi centum pagos habere dicuntur, ex quibus quotannis singula
milia armatorum bellandi causa suis ex finibus educunt. Reliqui, qui domi manserunt, se atque illos
alunt. Hi rursus invicem anno post in armis sunt, illi domi remanent. Vgl. W. SrickEL, Freistaat,
S. 93, Anm. 10. Gegen die Glaubwürdigkeit der Tausendmànnergaue siehe Warrz, Vfg. I3, S. 103,
2941; DELBRÜCK, Der urgermanische Gau und Staat, in PrJbb. 81 (1895), S. 483; S. RIETSCHEL,
Die germanische Tausendschaft, ZSavRg. GA. 1906. S. 949f. Über Tausendschaft siehe auch unten
unter Kriegswesen S. 21f. Einen m. E. nicht geglückten Versuch, die Tausendschaft zu retten, unter-
nahm M. KrammEr im NA. Bd. 32, 1907.
4) ScurôpEr, Rg.° S. 20f.; vgl. W. SICKEL, Zur germ. Verfassungsgesch., S. 19; auch CLAUS-
SEN-MUNCH, Die nordisch-german. Vólker, S. 126.
5) BRUNNER, Rechtsgeschichte I?, S. 158. Derselbe, Grundzüge der deutschen Rechtsgesch.,
6. AufL, 1913, S. 14. Nach dem Vorgang von SCHRÖDER und BRUNNER ist die Tausendschafts-
theorie aufgenommen worden von R. BETHGE, Die altgermanische Hundertschaft, in Festgabe
für K. Weinhold, 1906, S. 3; K. WELLER, in Württemb. Vierteljahrsh. f. Landesgesch NF. 7 (1898),
S. 315, Anm. 2; CnAMER, Gesch, der Alamannen als Gaugeschichte, 1899, S. 60£.; derselbe, Die Ver-
fassungsgesch. der Germanen und Kelten, 1906, S. 6, 29, 53; L. Scuwrpr, Gesch. dor deutschen
Stämme bis zum Ausgang der Völkerwanderung I, 1 (1904), S. 39 und WZ. 20 (1901), S. 20.
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