Full text: Deutsche Verfassungsgeschichte von den Anfängen bis ins 15. Jahrhundert (2. Reihe, Abteilung 3)

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18 Aloys Meister: Deutsche Verfassungsgeschichte des Mittelalters usw 
so sah man von der Erblichkeit ab. Aber auch da, wo sich kein Konigtum ausbildete, 
gründeten die principes ihre Stellung letzten Endes auf die Erblichkeit. Bei den- 
jenigen Fürsten, denen die Wahl) eine obrigkeitliche Stellung verlieh, gab die persón- 
liche Tüchtigkeit den Ausschlag. Doch alle sind Mitglieder der edlen Geschlechter. 
Principes bedeutet in dieser älteren Zeit Führer, Angesehenste, Vornehmste. Es sind 
die politischen Führer des Volkes und aus ihnen werden die Richter entnommen; und | 
auch die Gefolgschaftsführer werden als prineipes bezeichnet.?) Der König ist Führer 
des ganzen Volkes, der princeps Führer der Heermänner seines Gaues. Der Konig hatte 
ein Gefolge, der princeps ebenfalls. Der König trug langwallendes Haupthaar als 
Abzeichen seiner Stellung und ebenso der princeps.®) 
Aber es konnte nicht ausbleiben, daß sich auch Verschiedenheiten in der Stel- 
lung beider Gewalten im Laufe der Zeit herausbildeten. Das war eine ganz natürliche 
Konsequenz. So war der König der Oberpriester seines Volkes. Im Freistaat unter der 
Vielherrschaft der principes müssen die principes zuerst ebenfalls das Priestertum mit 
ihrer Stellung verbunden haben, denn noch Caesar fiel es auf, daß die Germanen, die 
er kennen lernte, kein besonderes Priestertum hatten. Also müssen doch wohl 
Nicht-Priester, und zwar wahrscheinlich die Angesehensten, d.i. die prineipes, die 
Opfer der Gauinsassen dargebracht haben. Aber zur Zeit des Tacitus ist es anders ge- 
worden : er kannte sowohl neben den Känigen, als neben den principes berufsmäBige 
Priester. Indessen, wührend sie beim Känigtum nur priesterliche Gehilfen des Känigs 
blieben, scheinen sie bei den Freistaaten eine selbständigere Stellung gewonnen zu 
haben. Dadurch wurden aber priesterliche Funktionen der principes nicht ausge- 
schlossen. 
Im Verhältnis zur Volksversammlung zeigt sich ebenfalls eine Verschiedenheit 
der Entwicklung. Weder der König noch die principes standen über der Volksver- 
sammlung. Aber in Staaten mit Vielherrschaft ist die Gesamtheit der Gaufürsten zu 
einem ,,Fürstenrat'' für die ganze Volkerschaft geworden, der die Angelegenheiten, die 
vor die Volksversammlung kommen sollten, vorberiet und minder wichtige Dinge 
selbst erledigte. 
Für einen Krieg benötigten die Völker mit der Vielherrschaft der principes einen 
Oberanführer, dux, der aus der Mitte der prineipes entnommen wurde und der im 
Frieden wieder in ihre Reihe zurücktrat. 
Die Entstehung des Kónigtums beginnt früher bei den Ostgermanen als bei den 
Westgermanen. Caesar scheint überhaupt noch keine Könige der Germanen im rómi- 
schen Sinne zu kennen. Ariovist ist nur ein Heerführer. Die Entstehung des Kónig- 
tums ist gleichbedeutend mit dem Beginn der Einigungstendenz. Markomannen, 
Quaden und Hermonduren sind so die ersten, die unter Konigen geeint wurden. Be- 
züglich der Westgermanen kommt die Tendenz zur Einherrschaft zuerst bei den Che- 
ruskern und Brukterern auf.*) Bei der Bildung der germanischen Stämme führt die- 
selbe Einigungstendenz zu Stammeskönigen, die schon im Anfang des 6. Jhs. bei den 
Alamannen, Salfranken, Ribuariern, Thüringern vorhanden sind, im 7. Jh. bei den 
1) Caesar sagt nichts von einer Wahl der principes, aber er unterscheidet magistratus ac prin- 
cipes (Bell. Gall. c 22), beamtete und nicht beamtete Fürsten. Auch Tacitus spricht nur davon, 
daB diejenigen principes in der Volksversammlung ausgewühlt würden, die iura per pagos vicosque 
reddunt (Germ. c. 12). So auch die Auslegung von KEvraxn, Der deutsche Staat des MA., S. 81. 
v. BErow, Der deutsche Staat des MA., S. 141, là8t den Titel Fürst nur für obrigkeitliche Personen 
gelten. Auch Waitz, Vg. I?, S. 2361, versteht unter Fürsten nur Beamte. 
2) KEUTGEN aaO. S.83f. hebt diese drei Arten hervor. 
3) Trefflick drückt es BRUNNER aus (aaO., S. 169): Mit Rücksicht auf den gleichen Inhalt 
der Kónigs- und Fürstengewalt darf der germanische rex als princeps civitatis, der germanische prin- 
ceps als Kleinkónig oder Gaukónig aufgefaüt werden. 
4) Warrz, Vig. 13, S. 303. 
 
	        
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