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! S. 252.
Die Ostvólker
Haltung nicht zu wahren, ihre Schwüche und eine gotische Reaktion führten zu
einer stärkeren Betonung des Volkswillens. So ist der nicht dem Adel angehörige
Vitigis wegen seiner tapferen Taten im Gepidenkriege vom versammelten Gotenheere
nach Absetzung des unfähigen Theodahat auf den Schild erhoben und zum König aus-
gerufen worden. Auch die folgenden Könige sind Wahlkönige gewesen.
d) Die Burgunder. Schon als die Burgunder,
gegenden saßen, waren sie Freunde der Römer gewesen; sie hatten ihnen wesentli
das im Nibelungenliede gefeierte Burgundenreich mit der Hauptstadt Worms gegründet. Ihre Land-
nahme ist, da sie als Freunde der Römer kamen, nach dem Einquartierungsmodus erfolgt. Spüter
mit den Rómern verfeindet, wurden sie 435 durch Aetius und 437 durch die Hunnen, wohl unter
Begünstigung des Aetius vernichtet.
Ihre sehr zusammengeschmolzenen Reste!) fanden Aufnahme bei den Rómern und Sind von
diesen in der Sabaudia ( Savoyen) 443 angesiedelt worden, naturgemäß, da sie nicht als Sieger, son-
dern als Schutz suchende Besiegte kamen, erst recht im Einklang mit den römischen Einrichtungen.
Die folgenden Könige der Burgunder hießen magistri militum, die Burgunder werden kaiserliche
milites genannt und der Kaiser selbst von ihnen als dominus noster bezeichnet. Es war ihnen dort
wohl ein Drittel des Hauses und ein Drittel des Grundbesitzes des römischen hospes zugewiesen
worden, und so waren sie vergleichbar einer angesiedelten Militärtruppe. Als aber das Kaiserreich
immer schwächer wurde und umgekehrt die Bedürfnisse und Forderungen der Burgunder immer
mehr stiegen, da haben sie sich zuletzt zu Herren des Landes, in dem sie anfangs nur im Quartier
lagen, aufgeschwungen. Von Savoyen aus haben sie sich den Rhonefluß und die Saone hinab nach
Südgallien ausgedehnt und ein neues Burgundenreich begründet, bis ihnen die Franken entgegen-
traten. Dieses Fortschreiten der Burgunder hat in der Lex Burgundionum einen Niederschlag
behalten, indem noch zu erkennen ist, wie ihnen bei weiterem Vordringen die Hälfte, dann bei
späterer Gebietserweiterung zwei Drittel des Ackerlandes überlassen wurden.?) Von Haus, Garten
und Almende haben sie sich stets die Hälfte geben lassen. 3
Von den Verfassungsverhältnissen des älteren Burgunderreichs wissen wir wenig. 4)
Das ältere Königtum, das mit Gundahar — dem Gunther des Nibelungenliedes —
zugrunde ging, wird das Volkskönigtum der Ostgermanen gewesen sein.
Das Königtum im neuen Burgunderreich stand auf anderer Grundlage; seine
Machi ist aus der des römischen Heermeisters, magister militum, hervorgegangen und
daher mit rümischen Befugnissen ausgestattet. Der König ist daher nicht beschränkt
durch eine Volksversammlung, er besitzt die vollen Hoheitsrechte. Das Volk hat auch
hei der Einsetzung des Kónigs nicht mitzusprechen; es is kein Wahlreich, sondern
ein Erbreich, erblich in einem neuen Kónigsgeschlechte, das mit Kónig Gondiok zur
Regierung gekommen war.
Im Burgunderstaat waren Burgunder und Rómer gleichberechtigt. Wir finden
daher auch Römer in den höchsten Beamtenstellen. In der Verwaltung hatte man die
römischen Stadtgemeinden bestehen lassen mit einem defensor civitatis an der Spitze
und der stádtischen Kurie; und daneben waren Gaubezirke eingerichtet unter Grafen,
die die Militárgewalt und Zivilgewalt ausübten. Neben ihnen ernennt der Kónig noch
besondere Richter, iudices deputati. Er selbst ist oberster Richter; der Instanzenzug
ist der rómische.
Die sozialen Verhältnisse lassen unter den Freien drei Schichten erkennen: die
Vornehmen, optimates oder maiores, die Mittleren, mediani, und die Geringen, viles.
Die Unfreien scheiden sieh in Knechte und Kolonen. Die alten Vornehmen gehen
auf im neuen Dienstadel, wie er überall beim neuen Kónigtum entsteht. Die Reichs-
1) Etwa 12 000 waffenfähige Männer, was einer Gesamtzahl von 50 000 Seelen entspräche.
HEUSLER, Vfg. 19.
2) Lex Burg. tit. 13, 31, 67 beweist die Zuweisung der Hälfte des Grundeigentums; tit. 54
die Ausdehnung auf zwei Drittel des Ackers, ein Drittel der Sklaven und die Hälfte von Haus,
Garten und Weideland. Vgl. HEUSLER, Vig. 20.
3) Lex Burg. tit. 54.
4) Es sind hendinos, Häuptlinge, und ein sinistus, Ältester, erwähnt.