Full text: Deutsche Verfassungsgeschichte von den Anfängen bis ins 15. Jahrhundert (2. Reihe, Abteilung 3)

   
uuu ane 
38 Aloys Meister: Deutsche Verfassungsgeschichte des Mittelalters usw. 
nis zu den Rómern und in ihrer Loslósung vom germanischen Hinterlande, anderer- 
seits in dem Gegensatz zwischen dem Arianismus der Germanen und dem Katholizis- 
mus der Romer. Die Stammesformationen der Westgermanen waren eher geeignet, 
die Trager einer dauernden Entwicklung zu werden, zumal da jetzt keine wesent- 
lichen Wanderungen mehr einsetzten und die stabile Unterlage zu entwickelteren 
Staatsverhaltnissen gewonnen war. Es ist kein Zufall, daß es von allen westgermani- 
schen Stämmen den Franken beschieden war, die Weitergestaltung nicht nur des 
Germanentums, sondern des gesamten Abendlandes, herbeizuführen, denn sie sind von 
den Westvölkern — abgesehen von den Langobarden — am tiefsten ins Herz des Rö- 
mertums eingedrungen, haben vom Rómerreich am meisten gelernt und haben An- 
sehauungen und Einrichtungen der Antike sich zunutze gemacht. Auferdem wurden 
in der Gründung des Frankenstaates in Gallien die Fehler vermieden, die von den 
Ostgermanen begangen waren, die Fühlung mit der germanischen Basis ging nicht 
verloren, und die religiöse Trennung wurde vermieden durch die Annahme des katho- 
lischen Christentums der Römer seitens der Franken. 
1. Das fränkische Königtum. 
W. SICkKEL, Entstehung der fränkischen Monarchie. WZ. 4; derselbe, GG. Anz. 1889. 
937f.; derselbe, MIÖG. Ergbd. 3, 451f. v. SYBEL, Entstehung des deutschen Königtums 2. Aufl. 
1881. F. DAHN, Kônige der Germanen. 7 u. 8 (Franken). Warrz, Vfg. 28, S. 99—106, 136—216, 
350—360. BRUNNER, Rg. 2, 7—95. v. AMIRA, Grundriß d. germ. Rechts?. 1897. 983f. Somw, Frän- 
kische Reichs- und Gerichtsverfassung 9—37, 1911. FanrsEck, Le royauté et le droit royal francs. 
1888. E. MUHLBACHER, Deutsche Geschichte unter den Karolingern 1896. v. Bzrow, Der deutsche 
Staat des MA. 1914. F. KxEuTaEN, Der deutsche Staat des MA. 1918. 
Konig Chlodweg!) 481—511, einer der Kleinkónige der salischen Franken, hatte, nicht mehr 
um der Landnot und dem Wandertrieb der Salier zu genügen, sondern aus eigener Initiative, mit 
den iuniores eine Anzahl Eroberungskriege unternommen, in denen er 486 das Reich des Rómers 
Syagrius stürzte, dann Gallien bis zur Loire unterwarf, 496 die Alamannen besiegte und abhängig 
machte und 507—510 den Westgoten das Gebiet zwischen der Loire und der Garonne abnahm. Es 
wurde nicht von Franken dicht besiedelt, denn die seßhafte fränkische Bevölkerung war zurück- 
geblieben; nur im herrenlosen, verwüsteten und im früher römischen Fiskallande wurden fränkische 
Krieger als Großgrundbesitzer ausgestattet.?) Gleichzeitig mit dieser ungeheuren Machterweiterung 
beseitigte Chlodweg die ihm verwandten übrigen Kleinkönige des Salierstammes und ließ sich auch 
von den Ribuariern zum König erwählen, so daß er am Ende seiner Regierung ein mächtiges ein- 
heitliches Königtum der Franken geschaffen hatte. 
Seine vier Söhne setzten das Werk des Vaters fort, 531 bezwangen sie die Thüringer und 532 
unterwarlen sie das burgundische Reich. Dann wurde noch die Provence dem fränkischen GroB- 
reiche eingefügt und zuletzt auch um die Mitte des 6. Jhs. den Bayern die fränkische Oberhoheit 
aufgenötigt. 
In dieser Zeit kraftvoller Merowinger wird die Auffassung vom germanischen 
Kónigtum eine andere. Das Kónigtum erhielt eine durch römische Anschauung ge- 
förderte Ausbildung. Die königliche Macht des Merowingergeschlechtes hält die ver- 
schiedenartigen Teile des Reiches zusammen, aber sie ist doch nicht stark genug, 
die wieder aufstrebende Selbständigkeit der einzelnen niederzuhalten. Ein einheit- 
liches Reich, das alle Verschiedenheiten ausglich, haben die Merowinger nicht geschaf- 
fen. Das Einheitliche, das sich über all die Sonderbildungen und die mehr oder minder 
selbständigen Teile hinüberlegte, war eben nur das Königtum, das sich mit einzelnen 
1) Vorgearbeitet war ihm schon durch König Chlogio, der Cambrai besetzte und die Römer 
dort ausrottete; Chlodwegs Vater Childerich hatte bereits in Gallien solches Ansehen, daß nicht der 
römische patricius Syagrius, sondern König Childerich für den Frieden Galliens sorgte, indem er 
die Westgoten zurückschlug und die sächsischen und britischen Seeräuber vertrieb. Der fränkische 
Herrscher hatte die tatsächliche Macht, während Syagrius noch der rechtliche Vertreter der Gewalt 
des römischen Imperiums war. Mit der Entthronung des Syagrius trat Chlodweg einfach an dessen 
Stelle, wie ganz analog später die Karolinger an die Stelle der Merowinger traten. 
2) HEUSLER, Vfg. 31, weist darauf hin, daß zwischen den einzelnen Feldzügen Chlodwegs 
meist ein Zwischenraum von fünf Jahren lag, die Zeit, in der eine neue kriegerische Mannschaft 
heranwuchs, die dann durch ,,Reislaufen“ aus der alten Heimat Chlodweg zu Kriegen drängte. 
Er mußte sie beschäftigen, sein Militärstaat beruhte nur darauf, daß er seine Leute durch Krieg 
reich machte. e 
     
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
   
    
  
    
    
     
   
  
  
  
  
  
  
   
   
       
    
   
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.