Gliederung des Staates und Provinzialverwaltung 51
jenigen Domänen, die für den Unterhalt des königlichen Hofes und die Hofhaltung
zu sorgen hatten, und ihre Beamten waren straffer der königlichen Hofverwaltung
unterstellt.!) Für sie wird wohl der Hausmeier an die Stelle des ehemaligen Hof-
domestikus getreten sein. Im übrigen hatten über die anderen Domänen in letzter
Instanz der König und die Königin selbst sich das Verfügungsrecht gewahrt. In
ihrem Auftrage vermitteln Seneschalk und Schenk die einzelnen königlichen Anord-
nungen an die Domänen. Aber auch Seneschalk und Schenk haben keine selbständige
Kompetenz für die Verwaltung der Domänen. Die einzigen zuständigen Kontroll-
beamten für die im übrigen sich selbst überlassenen Provinzialdomänenbeamten waren
die missi dominici. Sie kontrollieren deren Amtsführung, sie prüfen deren Rechnungs-
führung, sie überwachen die Ablieferung der Einkünfte, untersuchen und schlichten
vorkommende Streitfálle.
Ein solcher Domänenkomplex, vielfach Streubesitz, stand unter einem Do-
mänenamtmann, der in Westfranzien iudex hieB, sonst aber meist als maior be-
zeichnet wird.
3. Die Gliederung des Staates und die Provinzialverwaltung.
FusTEL DE CoULANGES, La monarchie franque. S. 183ff. ErcHHORN, Über die ursprüngliche
Einrichtung der Provinzialverwaltung im fränkischen Reich. Z. f. geschichtl. Rechtswissenschaft.
8 Bd. (1835). Lonanon, Géographie de la Gaule. 1878; derselbe, Études sur les pagi de la Gaule,
in Bibl. de l'école des hautes études. II. 11. fasc. G. LANDAU, Beschreibung der deutschen Gaue.
2 Bde. 1855. S. 57. Lipp, Das frinkische Grenzsystem unter Karl d. Gr. 1892, in GIERKEs Unter-
suchungen. 41. KIENER, Verfassungsgeschichte der Provence 1900. S. 23ff., S0ff. WERNERURG, Gau,
Grafschaft u. Herrschaft in Sachsen. 1910. K. RÜBzr, Die Franken. 1904. Warrz, Vig. 23,1 S. 3841f.;
8°, S. 341ff. BRUNNER, Rg. 2, S. 1411f. ScHRODER, Rg. 6, 818, S.127ff. Aura, Recht?, S. 71 ff.
In der fränkischen Zeit hat der Staat einen ausgesprochen ôffentlich-recht-
lichen Charakter. Er beruht auf dem allgemeinen Untertanenverband. Aber diese
Untertanen werden nicht aufgefaßt als subditi oder subiecti, sondern als fideles,
Getreue (daneben leudes, homines). Das Untertanenverhältnis beruht auf der Treue.
An die Stelle des allgemeinen Staatsbürgertums der Urzeit ist der Untertanenbegriff
getreten; der Konig nennt die Untertanen fideles nostri, seine homines, seine leudes.?)
Später heiBt es: Christi nostrique fideles, und dann auch: imperii fideles, Christi im-
periique nostri fideles. Ein Treueid tritt bekráftigend hinzu. Die Untertanen stehen
im allgemeinen Kónigsschutz und Kónigsfrieden.
Trotz der gewaltigen Maehtsteigerung des Königtums durch Eroberung, Grund-
besitzerwerb und römisch-absolutistischen Einfluß wird der Staat nicht privatrecht-
lich umgeschaffen. Das persönliche Königtum hat als Gegengewicht das Volk. Aber
ein privatrechtlicher Einschlag ist da; er kommt in den Teilungen zum Ausdruck.
Aufgabe des Staates ist die Wahrung der öffentlichen Wohlfahrt, die Sicherstellung
der öffentlichen Ordnung. Der Staat greift jetzt auch mehr durch als früher.
Aber es gelingt nicht, alle Unterschiede zu verwischen, die durch Volksrechte
und Stammesrechte begründet waren. In den Stämmen ruht eine die Verfassung
stark beeinflussende und verändernde Kraft. Der fränkische Staat ist noch nicht
einheitlich, wenn er sich auch bemüht, fränkische Einrichtungen überall nach Mög-
lichkeit einzuführen. Die fränkische Reichsgesetzgebung sucht eine Vereinheitlichung
des Rechts herbeizuführen ?), ohne tatsächlich zu erreichen, daß im ganzen fränkischen
Reich einheitliche Verhältnisse eintraten.
Immerhin ist die Schaffung eines weitreichenden Verwaltungsapparats eine
großartige Leistung.
1) HrxcMaR, De ordine palatii: MG. Capitularia IT, 525 c. 23; Vgl. dazu Dorscu aaO. S. 146.
2) v. BEL ow, Deutscher Staat des MA., S. 210f. Später bei Ausbildung des Lehnswesens ver-
bindet sich mit fideles mehr der Begriff der Lehnstreue.
3) Vgl. auch v. SCHWERIN, Rg.* in diesem Grundriß, S. 6.
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